Handel und Indnstrie. 885
trug dazu bei, daß der Hauptstrom der hugenottischen Aus-
wanderung aus Frankreich von Sachsen nach Brandenburg ab-
gelenkt wurde. Doch legten französische Refugies in Leipzig
Sammt= und Seidenmanufacturen an, die bei den damaligen
kostbaren Modetrachten für besonders wichtig galten. Der
Luxus des Hofes und der höheren Stände, wie verderblich er auch
im Ganzen für das Land gewesen ist, entwickelte die Hilfsquellen
desselben in einer noch nicht dagewesenen Weise; die große
Menge meist reicher Besucher aus dem Auslande, von denen
Sachsen nicht leer wurde 1), die Verbindung mit Polen, welche
den sächsischen Producten ein weites Absatzgebiet öffnete, die
rasche Circulation des Geldes blieben auf Gewerbfleiß und
Handel nicht ohne belebende Einwirkung und verbreiteten um
so eher den Schein herrschenden Wohlstandes, als ohnehin da-
mals die Masse des Geldes mehr nach oben strebte. Da die
Regierung recht wohl wußte, daß die Steuerkraft des Landes,
solle sie die ihr zugemutheten Lasten tragen, gekräftigt werden
müsse, so suchte auch sie nach Maßgabe ihrer Einsicht für He-
bung des Handels und der Gewerbe das Ihrige zu thunz sie
befahl für den Hofstaat und die Armee nur inländisches Tuch
zu nehmen, orducte 1734 die durchgäugige Einführung der
leipziger Elle, Maß und Gewicht an, verfehlte aber auch nicht
durch Herbeiziehung fremder Fabrikanten, durch Freiheiten und
Privilegien allerhand modische und durch eine glänzende Außen-
seite bestechende Industriezweige großzuziehen; doch liefert gerade
der Umstand, daß derartige künstliche Mittel hier in weit geringerem
Grade angewendet wurden als damals in so vielen anderen
Territorien, einen Beweis für die gesunde und naturwüchsige
Grundlage, auf welcher die sächsische Industrie beruhte. Mit
Brandenburg wurde 1728 ein Commercientractat geschlossen,
1) Hoyer a. a. O. 1, 163: „Nur will ich dieses aufligen, daß
der dresdensche Hof von einer unglaublichen Zahl fremder und voruchmer
Leute wimmelle, wornuter viele junge Edellente auch aus Holslein waren,
die aber zum Theil dieses Vergullgen durch Verspielung großer Summen
allzuthener bezahlten und viele Jahre hernach oder wohl gar ihr Lebtage
für diese Kurzweil darben müssen.“
Böttiger, Geschichte Sachsens. 2. Aufl. II. 25
1728