Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band: Von der Mitte des sechzehnten bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. (2)

Premierminister Graf Brühl. 45 
König, in seiner hermetischen Abgeschlossenheit ohne alle Keunt- 
niß von dem Zustande seines Landes, sah in dem Aufwande 
seines Ministers nur den Widerschein des allgemeinen Wohl- 
standes und hatte als ein Feind aller Repräsentation nichts da- 
wider, daß dieser durch den Glanz seines Auftretens statt 
seiner den Nimbus der königlichen Macht aufrecht erhalte, zu- 
mal da die durch die Königin nach Dresden verpflanzte spanische 
Etikette Minister, Gesandte oder angesehene Fremdc an die kö- 
nigliche Tafel zu ziehen verbot 1). Die sybaritische Pracht des 
brühlschen Haushaltes, in welchem über 300 Personen, darunter 
viele Söhne des sächsischen Adels, angestellt waren, seine lucul- 
lische Tafel, auf der nie weniger als 30 Schüsseln, bei großen 
Tractamenten aber 80 bis 100 in den kostbarsten Servicen 
von Porcellan, Silber und Gold erschienen, während der König 
sich für gewöhnlich mit 12 begnügte, seine unermeßliche Gar- 
derobe, sein herrlicher Marstall, seine kostbare Gemälde-, Ku- 
pferstich= und Naturaliensammlung, seine Bibliothek von 70000 
Bänden erheischten einen jährlichen Aufwand von wenigstens 
einer halben Million, zu deren Beschaffung auch das verwerf- 
lichste Mittel nicht zu schlecht war; nichts hinderte ihn dieselben 
anzuwenden, da er, im Alleinbesitz der Controle über seine 
Amter und Stellen, zur Beraubung des Staates ganz freie 
Hand hatte. Und doch trachtete er bei dem allen mit heuch- 
lerischer Berechnung nach dem Rufe der Rechtschaffenheit, selbst 
der Frömmiggkeit, obgleich er sich je nach Gelegenheit in Sachsen 
als Protestant, in Polen als Katholik gerirte, er wußte es 
anzustellen, daß er bei dem Gebet, das er allabendlich pharisäisch 
in seiner Hauskapelle verrichtete, von Freunden überrascht wurde, 
gab sogar ein Andachtsbuch heraus, besuchte fleißig die Frei- 
maurerloge. So gewissenlos wie in der Verwaltung, so un- 
fähig war er für die äußere Politik, ein Intriguant, kein 
Diplomat. Ohne Scharfblick und Menschenkenntniß sah er von 
den Dingen nie mehr als die Oberfläche; unentschlossen, furchtsam 
und leichtsinnig, war er weder im Stande für die Ränke, die 
1) Leben der Gräsin v. Brühl (1763), S. 125.
	        
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