462 Kurfürst Friedrich August II.
im preußischen Dienste gesammelten Erfahrungen auf das
sächsische Heer zu übertragen 1), aber bald kamen die beab-
sichtigten Neformen ins Stocken und der Höfling Nutwoski
beugte sich mit viel zu viel Schmiegsamkeit unter das Joch
des Premiers, als daß er den Verfall der Armee hätte auf-
halten können; er ließ es geschehen, daß Brühl, obgleich ohne
alle militärischen Kenntnisse, factisch auch die Oberleitung des
Heeres in seine Hände nahm und die für dasselbe bestimmten
Mittel, die Subsidien Frankreichs und der Seemächte, ebenso
ihrer Bestimmung entfremdet wurden wie alle übrigen Ein-
künfte. Der König hatte natürlich nicht die mindeste Ahnung
von dem Zustande, in dem sich seine Truppen befanden. Als
endlich doch einmal ein wackerer Oberst es wagte, die Bitte
um Auszahlung des seit 28 Monaten rückständigen Soldes bei
ihm anzubringen, legte Brühl schon des anderen Tags die
Quittungen über die Unn alsbald, aber in werthlosen Stener-
scheinen erfolgte Bezahlung der Offiziere vor; dem Obersten
aber wurde die Wahl gelassen zwischen Cassirung, Confiscation
und Festungshaft oder einer schriftlichen Erklärung an den
König, daß er an zeitweiliger Geistesstörung leide und in einer
solchen dem Minister durch fälschliche Anklage zu nahe getreten
sei; er wählte die letztere und erhielt in Gnaden die erbetene
Entlassung?:). Unter den Abzügen, welche sich die Offiziere
gefallen lassen mußten, befand sich auch einer „für gute Be-
zahlung“, obgleich diese auch fernerhin in Steuerscheinen er-
folgte; natürlich war das Offiziercorps tief verschuldet. Zu
derselben Zeit, wo Friedrich der Große sein Heer bis auf 130000
Mann vermehrte, wurde das sächsische von den 12882 Mann,
die es nach Beendigung des zweiten schlesischen Krieges zählte, der
Ersparniß halber nach und nach auf 21000 Mann und noch im
1) Im Jahre 1735 sagte Friedrich Wilhelm 1, zu Seckendorf:
„Die gute Einrichtung der sächsischen Armec hat man mir zu danlen; die
Canaille der Rutownski hat mir alles abgestohlen; lieb gehabt, Reglement
gewiesen, hernach Abschiech genommen.“ v. Seckendorf, Journul,
p. 34. liver Rutowski vergl. Geheimnisse d. s. C. 1, 71 fl.
2) Leben und Charakter Brühls 11, 11 ff.