Der Adel. Hofleben. 611
Das Leben bei Hofe hatte mit dem Regierungswechsel
insofern eine wesentliche Anderung erlitten, als an die Stelle
der ungebundenen Fröhlichkeit und Ausgelassenheit, wie sie unter
August dem Starken geherrscht hatten, jetzt eine streng abge-
messene Etikette trat, die durch die Königin Maria Josepha-
von Wien nach Dresden verpflanzt worden war und ebenso
dem Naturell ihres die Bequemlichkeit über alles licbenden
Gemahls wie dem Systeme Brühls, seinen Gebicter von der
Berührung mit Anderen möglichst abzuschließen, zusagte. Doch
war Friedrich August II. ein Herr von feinem, durch Reisen
gebildeten Geschmack, der sich in Musik und Malerei mit aus-
gesprochener Vorliebe der Kunst der Italiener zuwendete; die
Aufhebung des französischen Theaters war das Zeichen, daß
diese statt der französischen von der Herrschaft bei Hofe Besitz
ergriffen habe. In der Neigung für Musik und Theater stimmten
mit dem Kurfürsten nicht bloß seine Gemahlin, die sich mit
besonderem Eifer der Kirchenmusik widmete, sondern auch seine
natürlichen Brüder und Schwestern überein, so daß diese unter
den Unterhaltungen der Hofzesellschaft unbestritten den ersten
Platz einnahmen, und daher kam es, daß auf musikalisch-drama-
tischem Gebicte damals die Kunst in Dresden eine Blütheperiode
feierte, die ihre Wirkungen weit über die Residenz, selbst über
Sachsen hinaus erstreckte. In Brühls unreinen Händen wurde
freilich auch sie zu einem Mittel entwürdigt, um sich in der
Gunst des Kurfürsten zu befestigen, indem sie demselben die
Langeweile vertreiben und seine Gedanken von den öffentlichen
Angelegenheilten ablenken helfen mußte. Ihre glänzendste Ent-
faltung hob mit dem Jahre 1734 an, wo J. A. Hasse, der
schon 1731 behufs Aussührung seiner Oper Cleofida in Dresden
gewesen war, und seine schöne Gattin, die Sängerin Faustina
Bordoni, beide zusammen mit einem Gehalte von 6000 Thalern,
bleibend für Dresden gewonnen wurden. Von hier aus war
es, daß Hasse 32 Zahre lang eine nur selten und schwach au-
gefochtene Dictatur über die deutsche Opernbühne ausübte;
seine Musik war es, die das Erwachen der schönen Künste in
Deutschland einläutete. Unterstützt durch eine außerordentliche