Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band: Von der Mitte des sechzehnten bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. (2)

530 Geistiges Leben unter Friedrich August II. 
Heimat segnend zurücksehen; die aus der Frivolität der Zeit sich 
auf sich selbst und den Weltheiland zurückzogen, die aus Christen 
verschiedener Confessionen und Formeln wieder Brüder im 
Sinne des apostolischen Jahrhunderts werden und werben 
wollten; Männer, die das Bete und arbeite in sich zur Harmonie 
zu bringen suchten und die, wenn sie auch endlich hinter ihrer 
frommen Aufgabe weit zurückgeblieben sind, doch das Christen- 
thum in sich veredelter und reiner darzustellen suchten. Es 
war ein später, doch nicht der schlechteste Nachhall von Speners 
frommem Wirken, daß der Sohn des sächsischen Conferenz- 
ministers und Sproß einer böhmischen Exulantenfamilie Nico- 
laus Ludwig Graf v. Zinzendorf, dessen Taufpathe jener 1700 
zu Dresden gewesen, von einer gelehrten und frommen Groß- 
mutter, der Frau v. Gersdorf, dann von Franke im hallischen 
Pädagogium erzogen, die spenersche Idee, mit Gottes Hilfe 
allgemach einige gute Seelen zu sammeln und ein Kirchlein in 
der Kirche zu gründen, aufgriff, dabei aber von dem gesetzlichen 
Geiste, der in dem halleschen Pietismus immer mehr die Ober- 
hand gewann, zu der Unmittelbarkeit des religiösen Gefühls 
zurückkehrte, in einer Zeit, wo philosophirende Flachheit und 
dünkelvoller Unglaube das kirchlich geistige Leben zu vernichten 
drohten. Der Zimmermamn Christian David aus Mähren war be- 
reits durch drei Spenerianer, Mag. Schäfer zu Görlitz, Schwedler 
zu Niederwiese und Mag. Steinmetz zu Teschen erweckt, als 
er einige Mitglieder der gedrückten und verfolgten mährischen 
Brüder 1722 nach Berthelsdorf dem jungen Grafen zuführte 1). 
Im Sinne der frommen Großmutter gründete dieser der neuen 
kleinen Herde, die ihm der Herr zugeführt, eine Niederlassung 
auf seinem Grund und Boden auf dem Hutberge und nannte 
sie Herrnhut. Unter dem Namen des freiwilligen Einver- 
ständnisses gab er ihnen 1727 die erste kirchliche Verfassung. 
1) Eine andere Schar böhmischer Brider, welcher Frau v. Gertdorf 
1724 zu Großhennersdorf Aufnahme gewährt hatte, siedelte in Folge von 
Mißhelligkeiten mit der Gutsherrschaft und der Regierung zum größten 
Theile nach Berlin über.
	        
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