540 Kurfürst Friedrich Christian.
Auch des Grafen Flemming Berufung in das Kabinet scheint
mit Rücksicht auf dessen enge Beziehungen zu Polen geschehen
zu sein. Alle in der sächsischen Armee dienenden polnischen
Offiziere erhielten auf fünf Monate Urlanb, damit sie zur
Zeit der Provinziallandtage für den Kurfürsten wirken könnten,
der Kurfürst ersuchte seinen Neffen, den König von Neapel, um
seine Verwendung bei der Pforte, damit diese seine Wahl bei
der Republik befürworte, man nahm selbst keinen Anstand an
den alten entthronten Stanislaus Leschuski durch die Prinzessin
Christine die Bitte zu richten, er möge seine Freunde und Ver-
wandten in der Heimat zur Unterstützung des Kurfürsten ver-
anlassen; mit verschiedenen Häuptern der sächsischen Partei in
Polen wurde im Stillen unterhandelt und, obgleich dem Kur-
fürsten nicht unbekannt war, daß die Höfe von Petersburg und
Wien gegen ihn seien, so schmeichelte er sich doch mit der Hoff-
mung, sie würden die polnische Nation gewähren lassen, sobald
sie sähen, daß ihre Drohungen und Demonstrationen nichts
ausrichteten. Da er aber bei der Erschöpfung seiner Finanzen
die großen Summen nicht besaß, welche die Bewerbung um
den polnischen Thron nothwendig erheischte, so wurde der
König von Spanien um Subsidien angegangen 1). Die eigent-
liche Seele des ganzen Plans war aber die Kurfürstin, die
schon früher deswegen mit Brühl eine lebhafte Correspondenz
unterhalten hatte und nun auch jetzt sich die größte Mühe gab,
den König von Preußen und die Kaiserin Maria Theresia der
Erhebung ihres Gemahls auf den polnischen Thron günstig zu
stimmen, bei jenem freilich ohne den mindesten Erfolg. Da-
gegen versicherte Kannitz dem Grafen Flemming, daß die Kai-
serin die Candidatur des Kurfürsten aus allen Kräften, freilich
aber nur soweit es ohne Krieg geschehen könne, unterstützen
werde, versprach zu Bestechungen 200000 Fl. und rieth die
Wahl so lange wie möglich hinauszuschieben. Als aber Maria
Antonia in ihrer unbezwinglichen Ungeduld Königin zu heißen
1) Friedrich Christian an den Marquis von Squillace 30. Noveniber
1763. Dresdner Archiv.