Die theologischen Parteien am Hofe. 47
einer schärfer bestimmten zu vertauschen und von der Noth-
wendigkeit eines solchen Schrittes überzeugt, auf der anderen
durch die Furcht vor des Kurfürsten persönlichen Anschauungen,
sowie vor dem mächtigen, ihnen am Hofe entgegenwirkenden
Einflusse von dem offenen Bekenntniß ihrer nahen Verwandt-
schaft nicht bloß zu den Heidelbergern, sondern selbst zu den
Genfern zurückgehalten, verfielen sie auf den unseligen Ausweg,
den Kurfürsten und seine Gemahlin durch systematische, aber
verdeckte Bearbeitung allmählich und unvermerkt auf ihre Seite
herüberzuziehen. War dieser Plau nicht ehrenhaft, so schien er
doch Aussicht auf Erfolg zu haben. Abgesehen von Perrcer,
rechneten sie bei Hofe hauptsächlich auf Craco, den August
nicht bloß mit Vertrauen, sondern mit herzlicher Freundschaft
bcehrte, und der sich zwar um dogmatische Fragen wenig küm-
merte, aber schon aus Interesse an der Universität sich ihrer
annehmen mußte, auf den Kanzler Kiesewetter, den Hofrichter
von Zeschau, den Hofprediger Schütz und den Superintendenten
Stößel in Pirna. Freilich, je näher sie ihrem Ziele schienen,
desto mehr steigerten sich auch die Gegenanstrengungen und
Hetzereien ihrer Feinde, unter denen der anmaßende Hofprediger
Listenius besonderen Eifer zeigte. Der frühe Tod des jüngsten
Prinzen galt als ein Gottesgericht, weil der Calvinist Peucer
ihn über die Taufe gehalten; es kam ein Brief des vetzteren
zum Vorschein, in welchem er die Einführung des wittenberger
Katechismus in Schulpforta empfohlen hatte, und da er früher
gegen August in Abrede gestellt hatte, dies gethan zu haben,
so gab dies Anlaß, ihn der absichtlichen Täuschung zu beschul-
digen. Doch beguügte sich der Kurfürst, ihn zu bedeuten, „er
solle seiner Arzuei warten und das Harnglas besehen, der
theologischen Sachen müßig gehen und in den Schulen ohne
Befehl nichts ändern“. So lange die extreme Orthodoxie in
Norddentschland immer weitere Fortschritte machte, rührte er
die wittenberger Mittelpartei nicht au.
Während aber noch die Wage unentschicden zwischen den
Wittenbergern und der orthodoxen Hofpartei schwankte, brachte
plötzlich der Tod des Herzogs Johann Wilhelm einen Um-