Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band: Von der Mitte des sechzehnten bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. (2)

Die theologischen Parteien am Hofe. 47 
einer schärfer bestimmten zu vertauschen und von der Noth- 
wendigkeit eines solchen Schrittes überzeugt, auf der anderen 
durch die Furcht vor des Kurfürsten persönlichen Anschauungen, 
sowie vor dem mächtigen, ihnen am Hofe entgegenwirkenden 
Einflusse von dem offenen Bekenntniß ihrer nahen Verwandt- 
schaft nicht bloß zu den Heidelbergern, sondern selbst zu den 
Genfern zurückgehalten, verfielen sie auf den unseligen Ausweg, 
den Kurfürsten und seine Gemahlin durch systematische, aber 
verdeckte Bearbeitung allmählich und unvermerkt auf ihre Seite 
herüberzuziehen. War dieser Plau nicht ehrenhaft, so schien er 
doch Aussicht auf Erfolg zu haben. Abgesehen von Perrcer, 
rechneten sie bei Hofe hauptsächlich auf Craco, den August 
nicht bloß mit Vertrauen, sondern mit herzlicher Freundschaft 
bcehrte, und der sich zwar um dogmatische Fragen wenig küm- 
merte, aber schon aus Interesse an der Universität sich ihrer 
annehmen mußte, auf den Kanzler Kiesewetter, den Hofrichter 
von Zeschau, den Hofprediger Schütz und den Superintendenten 
Stößel in Pirna. Freilich, je näher sie ihrem Ziele schienen, 
desto mehr steigerten sich auch die Gegenanstrengungen und 
Hetzereien ihrer Feinde, unter denen der anmaßende Hofprediger 
Listenius besonderen Eifer zeigte. Der frühe Tod des jüngsten 
Prinzen galt als ein Gottesgericht, weil der Calvinist Peucer 
ihn über die Taufe gehalten; es kam ein Brief des vetzteren 
zum Vorschein, in welchem er die Einführung des wittenberger 
Katechismus in Schulpforta empfohlen hatte, und da er früher 
gegen August in Abrede gestellt hatte, dies gethan zu haben, 
so gab dies Anlaß, ihn der absichtlichen Täuschung zu beschul- 
digen. Doch beguügte sich der Kurfürst, ihn zu bedeuten, „er 
solle seiner Arzuei warten und das Harnglas besehen, der 
theologischen Sachen müßig gehen und in den Schulen ohne 
Befehl nichts ändern“. So lange die extreme Orthodoxie in 
Norddentschland immer weitere Fortschritte machte, rührte er 
die wittenberger Mittelpartei nicht au. 
Während aber noch die Wage unentschicden zwischen den 
Wittenbergern und der orthodoxen Hofpartei schwankte, brachte 
plötzlich der Tod des Herzogs Johann Wilhelm einen Um-
	        
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