Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band: Von der Mitte des sechzehnten bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. (2)

698 Kurfürst Friedrich August III. 
ideen gegründete Bedenken und nicht geringere die auffällige, 
wahrscheinlich auf eigennützigen Berechnungen der Häuser Po- 
niatowski und Czartoriski beruhende Bernfung der neunjährigen 
Tochter des Kurfürsten zur Thronerbin, da dadurch die Wahl 
ihres künftigen Gemahls für die auswärtigen Höfe eine QOuelle 
der Eifersucht und für Sachsen selbst eine Gefahr werden mußte, 
so war sich Friedrich August außerdem sehr wohl bewußt, daß 
die Entscheidung über Annahme oder Ablehnung der darge- 
botenen Krone weniger von seiner persönlichen Entschließung 
als von der Zustimmung oder dem Widerspruche der drei 
großen Nachbarmächte abhange. In Berlin stand von jeher 
die Ansicht fest, daß ein durch die Erblichkeit des Thrones 
innerlich erstarktes Polen dem Interesse Preußens schlechterdings 
widerspreche 1); dennoch hütete man sich jetzt, wo Preußen 
möglichenfalls Polens sowohl als Sachsens gegen die beiden 
Kaiserhöfe bedurfte, eine Mißbilligung des Geschehenen laut 
werden zu lassen, ja bei König Friedrich Wilhelm II. persönlich 
überwog das Mitgefühl mit einer bedrängten Nation so weit, 
daß er dem Kurfürsten schriftlich seinen Glückwunsch abstattete, 
dem bald darauf Oberst Bischofswerder selbst in geheimer 
Mission nachfolgte. Das wiener Kabinet, sobald es sich von 
der Grundlosigkeit des Verdachts überzeugt hatte, daß die Re- 
volution vom 3. Mai auf Eingebung Preußens erfolgt sei, 
suchte vor allen Dingen die Sache in die Länge zu ziehen; 
obgleich der neuen Ordnung der Dinge in Polen entschieden 
feindlich gesinnt, vermied es doch auf das sorgfältigste, Sachsen, 
dessen Neutralität ihm im Fall eines Krieges mit Preußen 
von großer Wichtigkeit war, durch Widerspruch abzustoßen?), 
sondern trachtete vielmehr dauach, die Bernfung des Hauses 
Sachsen auf den polnischen Thron zu einem Mittel zu machen, 
um Polen dem russischen wie dem preußischen Einflusse zu ent- 
1) Häusser, Deutsche Geschichte (3. Aufl. 1861) I, 304. — Her- 
mann, Geschichte Rußlands VI (1860), S. 238. 
2) Ssolowjoff, Geschichte des Falls von Polen, deutsch von 
Spörer (1865), S. 254 f.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.