600 Kurfürst Friedrich August III.
blieben und die drei Mächte schließlich dessen Schicksal über
Sachsen hinweg und ganz ohne dessen Zuthun entschieden.
Das Bedenklichste war aber doch, daß das Werk vom
3. Mai weder seinen Urhebern noch dem Auslande Vertrauen
zu seiner Lebensfähigkeit einflößte. Mehr und mehr stellte sich her-
aus, daß dasselbe nichts sei, als eine von einer Minderheit durch
umlautere Mittel und eine förmliche liberrumpelung durchgesetzte
Revolution. Sobald der erste Rausch verflogen war, besann man
sich, daß der NReichstag, indem er die Erblichkeit votirte, dem
ausdrücklichen, in den Landtagen ausgesprochenen Willen der
Nation zuwider gehandelt habe; die anfangs durch den Ter-
rorismus der herrschenden Partei eingeschüchterte Opposition fing
an sich zu regen. Bei dieser Lage der Dinge konnte weder
das Kabinet noch auch das Geheime Consilium in dem von ihm
erforderten Gutachten umhin, in lÜbereinstimmung mit den
Warnungen, die Essen unablässig aus Warschau erschallen
ließ 1), dem Kurfürsten die Anahme zu widerrathen. Wenn
derselbe trotzdem nicht schlechthin ablehnte, sondern sich zunächst
die Prüfung der Constitution vorbehielt, so war, was ihn dazu
bestimmte, sicherlich nicht der bestechende Glanz der Königskrone,
sondern neben der Erinnerung an die frühere Verbindung mit
Polen das Gefühl der Verpflichtung gegen eine Nation, die
auf ihn ihre letzte Hoffnung gesetzt hatte, ja gegen die Nuhe
von ganz Europa, deren Erhaltung vielleicht jetzt in seine Hand
gelegt war. Aber mit seiner Bedächtigkeit war der Ungeduld
der Polen wenig gedient. Indem die Partei des 3. Mai die
Täuschung unterhielt, als wünsche der Kurfürst die Krone, legte
sie es darauf an ihn auch wider seinen Willen fortzureißen.
Als ob seine Zustimmung zu der Verfassung bereits außer
Frage stehe, richtete der Reichstag an ihn die Bitte, daß er
1) Essen an Graf Loß, 21. September: „Je D’vose pas Vous dire,
Mr. le Comte, ce que jo pense sur le malheureux caractère de ces
Drétendus amis de I’Elccteur, mauis je läche le mot: tout ont ici
fourberie. En nous noyant on veut se sauver, voilà la vomme de
tout.“