Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band: Von der Mitte des sechzehnten bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. (2)

666 Inneres 1768 - 1806. 
ihrer Verhandlungen des Contacts mit der öffentlichen Meinung 
beraubt, kannten sie kein höheres Ziel als die Bewahrung ihrer 
besonderen Staudesinteressen, die sich selbst in Außerlichkeiten 
geltend machten, wie wenn bei der feierlichen Eröffuung ihrer 
Versammlung ein Theil der ritterschaftlichen und fast alle 
städtische Deputirte außerhalb der Schranken und hinter den 
Reihen der Gardisten stehen mußten. Selbst die Deputirten 
der Städte vertraten nicht die Bürgerschaft, sondern nur die 
Magistrate, die sich größtentheils durch Cooptation aus ihren 
Familienkreisen und Verwandtschaften ergänzten, und hatten 
deshalb nicht die allgemeinen, sondern ebenfalls nur, gleich 
dem Adel, ihre Sonder-Interessen im Auge; der zu einer selb- 
ständigen Bedeutung herangereifte Bauernstand war ganz un- 
vertreten. Selbst von Seiten der Bevorrechtigten zeigte sich 
die Gleichgiltigkeit in dem häufigen Außenbleiben von Ausschuß- 
ständen, welches die Berathungen ins Stocken brachte und 1781 
auf Antrag der Landschaft die Bestimmung hervorrief, daß die 
dreimal ohne hinlängliche Eutschuldigung Ausgebliebenen sollten 
ausgeschlossen werden können. Ein weiterer Übelstand ergab 
sich daraus, daß eine Menge landtagsfähiger Nittergüter nach 
und nach in bürgerliche Hände übergegangen waren und darum 
nicht mehr als landtagsfähig galten, wodurch von 1728—1805 
die allgemeine Ritterschaft auf etliche 70 Köpfe herabgesunken 
war. Daher wurde seit 1793 wiederholt der ständische Antrag 
gestellt, es möchten auch die Besitzer neuschriftsässiger Ritter- 
güter, d. h. solcher, die nach 1661 die Schriftsässigkeit erhalten 
hatten, und zwar mit Auslösung zum Landtage berufen werden, 
auch bei der Ahnenprobe der Ritterschaft die vorgeschriebenen 
acht Ahnen auf vier nachzulassen sein oder die Abkunft der 
Mutter keinen Unterschied mehr machen, so daß bloß vom 
Vater her hundertjähriger Adel erfordert werde. Allein letzteren 
Antrag ließ die Regierung ganz unbeachtet und das Deerret 
vom 6. April 1805 1) entschied nur, daß die zur Landstand- 
schaft nöthige Schriftsässigkeit bis zum Schlusse des Jahres 1804 
1) Cod. Ang. Cont. III, 1. p. 5.
	        
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