690 Inneres 1768—1806.
Volkm. Reinhard (geb. im Sulzbachischen 1753, st. 1812) ein,
der, durch die leibnitz= wolfische Schule hindurchgegangen und
durch eigene gewissenhafte Forschung in sich selbst geklärt und
gefestigt, von der kantischen Philosophie nur die dialektische
Form, nicht den der Offenbarung widerstreitenden Inhalt an-
nahm, sich auf dieser fußend zu wahrer Glaubensinnigkeit
hindurchrang und den Zweck des Christenthums in die über-
einstimmende Veredelung aller Seelenvermögen setzte 1). Seine
größten Wirkungen erzielte er als Kanzelredner; seine belebende
Thätigkeit und muthige Opposition nach oben wie nach unten
erhielt dem Leuchter der Aufklärung die Lebensluft und sein
positiver Offenbarungsglaube fand in den höchsten Regierungs-
kreisen, in denen man die Religion nur zu häufig als bloßes
„Zucht= und Trostmittel für die Massen“ auffaßte, desto
größeren Beifall, je äugstlicher dieselben wegen der von der
kritischen Philosophie neuerdings eingeschlagenen Richtung wur-
den. Aber dieselben Leute, welche bewirkten, daß das dresdner
Oberconsistorium den Philosophen J. G. Fichte 2) als Verfasser
eines Aufsatzes „Über den Glauben an eine göttliche Welt-
regierung“ bei den Erhaltern der Universität Jena wegen
atheistischer Lehren denuncirte, und die Beförderung W. Tr.
Krugs zu einer Professur in Wittenberg wegen dessen „Briefen
über die Perfectibilität der geoffenbarten Religion 1795“
hintertrieben, lauschten mit gläubiger Andacht den Verkündi-
gungen eines Cagliostro und Grafen St. Germain, ja ließen
canaten (1790 aufgehoben) und 38 Parochien; das Consistorimm zu Glauchan
mit 5 Juspectionen und 32 Parochien; die Inspection Ebeleben (Fürstenthum
Schwarzburg) mit 4 Parochien; das stollbergische Consistorium zu Noßla
mit 15 Parochien; das Consistorium und die Inspection des Grafen
Solms zu Sonnewalde mit 8 Parochien; — zusammen 2222 Parochien.
1) Vergl. Über ihn Pölitz, Reinhard nach seinem Leben und Wirken
dargestellt. 2 Bde. 1813. Auch Böttiger, Briese an J. v. Mülller
(1839) I, 393.
2) Geb. 1762 zu Nammenau bei Bischofswerda, wurde der alt
Kuhhirt dienende Knabe durch E. Haub. v. Miltitz auf Siebeneichen der
wissenschaftlichen Laufbahn zugeführt.
