Full text: Geschichte des Kurstaates und Königreiches Sachsen. Zweiter Band: Von der Mitte des sechzehnten bis zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. (2)

Justizwesen. 65 
Einrichtung, durch welche zunächst weder eine neue Instauz noch 
ein bleibender Gerichtshof geschaffen wurde, auf deren Grund 
aber sich unter seinem Nachfolger, Christian J., ein förmliches 
Appellationsgericht entwickelte. 
Wie schon in diesem Kampfe um Aufrechthaltung der 
Appellationsfreiheit seines Hauses der Kurfürst sich auf den 
Boden des alten sächsischen Rechtes stellte, zu dessen Beschützer 
er schon als Reichsvicar in allen Ländern sächsischen Rechts be- 
rufen war, so zeigt sich sein Eifer für Bewahrung desselben 
auch darin, daß er etliche angesehene Männer mit Revision 
und Prüfung des Sachsenspiegels und Feststellung seines Ver- 
hältnisses zum gemeinen Rechte beauftragte. Bei dem immer 
stärkeren Eindringen des römischen Rechtes, welches die juristi- 
schen Facultäten sowie die Hofgerichte bereits vollständig erobert 
und auch in die Schöppenstühle seit deren theilweiser Besetzung 
mit Doctoren Eingang gefunden hatte, waren in der Praxis 
zahlreiche Collisionen zwischen diesem und dem alten Rechte 
unvermeidlich, denen sich auch durch die Vorschrift, daß das 
sächsische Recht, wo es unausgedrückt und dunkel, Deutung 
und Erfüllung aus dem römischen nehmen solle, nicht vor- 
beugen ließ. Denn mochte auch demnuach der Vorrang des 
sächsischen Rechtes vor dem römischen feststehen, so waren doch 
die Vertreter der juristischen Wissenschaft, von denen damals 
Kursachsen eine nicht geringe Zahl hochangesehener Namen be- 
saß, viel zu einseitig in den Anschauungen des römischen Rechts 
befangen und darum einer gerechten Würdigung der alten ein- 
heimischen Rechtsgrundsätze viel zu unzugänglich, um dieselben 
nicht, statt an ihrer Weiterbildung im Geiste der neuen Zeit 
zu arbeiten, schlechthin zu verwerfen. Die mangelhafte Auf- 
fassung und Auslegung sowohl des primär geltenden sächsischen 
als des subsidiär geltenden römischen Rechts erzeugte eine solche 
Ungleichheit der Rechtsprechung, daß die Erkenntnisse der leip- 
ziger Juristen oft ganz anders lauteten als die der witten- 
berger und wiederum die Schöppenstühle weder mit diesen noch 
mit jenen übereinstimmten. Die erste Auregung zur Lerstellung 
eines hierdurch zum dringenden Bedürfniß gewordenen jus 
Böttiger, Geschichte Sachsens. 2. Aufl. II. 5
	        
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