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Kommen also für die Darstellung des heutigen Bremischen
Staatsrechts die Verfassungsgeschichte und die staatlichen Zustände
der Zeit vor 1849 nicht unmittelbar in Betracht, so sind sie doch
mittelbar wesentlich zur Erklärung heutiger Einrichtungen und Besonder-
heiten Bremischen Staatsrechts; die Gesetzgeber von 1849 knüpften
an an Vorhandenes, es gab die Motive für sie ab, sie benutzten es,
freilich brachten sie neuen rechtlichen Geist in die alten Formen.
Erübrigt sich somit für diese Darstellung ein weiteres Zurückgehen
auf die Geschichte und Verfassungsgeschichte Bremen's, so soll doch
ein kurzer Überblick der staatlichen Zustände in der letzten Zeit des
alten Staates neben der Geschichte der Verfassungsgesetzgebung voraus-
geschickt werden, wie denn auch bei den einzelnen Instituten, soweit es
nötig schien, die geschichtliche Entwicklung berührt ist.
§ 2. Die Entwichlung der Premischen Verfassung.
I. Der alte Staat.
Die Tafel von 1433 und die neue Eintracht von 1534 wurden
als Grundgesetze des alten Staates bezeichnet und bis in die Mitte
des vorigen Jahrhunderts im Bürgereid als solche beschworen; Ver-
fassungsgesetze in unserem Sinne waren sie nicht. Beide verdankten
ihre Entstehung der Reaktion gegen innere Unruhen; Verhütung
künftiger Zwistigkeiten, aus diesem Grunde Bestätigung der unantast-
baren Obrigkeit des Rates als eines „vollmächtigen" 1) Strafen auf
hochverräterische Auflehnung dagegen, Verbot von Versammlungen
ohne Genehmigung des Rats usw., das war ihr wesentlicher Zweck
und Inhalt. Beide bestätigen daneben „die alten löblichen Gewohn-
heiten, Sitten, Freiheiten und Rechte“ der Gemeinheit, ohne sie auf-
1) Daß der Ausdruck „vollmächtiger“ Rat nicht sein absolutes Regiment,
sondern seine unabhängige Stellung — die Vollmacht in sich selbst, nicht von
der Gemeinde übertragen, — bezeichnen sollte, geht aus dem Zusammenhang
hervor; auch im Aufstand der hundertvier Männer im Jahre 1530, als diese
Anteil am Regiment begehrten, bestätigten sie den Rat als vollmächtig.
v. Bippen, Geschichte der Stadt Bremen Bd. II S. 67. — Donandt, Geschichte der
Demokratie S. 31: „Das Prinzip der Vollmächtigkeit des Rats blieb das
Unwandelbare in diesem Wechsel, aber damit nur die intensive Kraft,
nicht der Umfang seines Rechts.“