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von Straßen- und Häuserlinien in der Stadt Bremen und
im engeren Landgebiet v. 22. Febr 1895 (S. 29)1): Senat und
Bürgerschaft können für vorhandene Straßen neue Straßen= oder
Häuserlinien feststellen mit der Wirkung, daß Neu= und Umbauten
darüber hinaus untersagt und Abtretungen der betroffenen Flächen
für den öffentlichen Verkehr durch ihren weiteren Beschluß verlangt
werden können. Größere Straßenanlagen erleichtert der gleichzeitig
beschlossene Zusatz zum Enteignungsgesetz (Ges. v. 23. Juni 1895;
jetzt § 4 des Ges. v. 23. Dez. 1899 S. 354).
Für die Hafenstädte ermöglicht entsprechende ortsstatutarische
Bestimmungen das Gesetz v. 25. Juni 1902 (S. 107).
Vorschriften für Straßenanlagen für die Stadt Bremen
enthält Titel VI der Bauordnung § 116 f. Private bedürfen zur
Anlage neuer Straßen der Genehmigung des Senats (§ 131); das
Grundeigentum der Straße fällt an den Staat bezw. die Gemeinde
(§ 135).2) Bei neuangelegten Straßen müssen die Anlieger
zum Erwerb des Ausgangsrechtes einen verhältnismäßigen Beitrag
zu den Anlagekosten leisten; die Beitragspflicht lastet als Reallast
auf dem Grundstück (B. O. § 143 ff.; auch Gesetz betr. Bauten an
Koppelwegen usw. v. 5. April 1894 S. 149).3) Bei Höher= oder
Tieferlegung einer Straße hat der Staat die Eingänge und Ein-
fahrten angemessen auf seine Kosten wieder herzustellen (B. O. § 153,
157).0
1) cf. Verh. 1894 S. 103. Vorbild war das Preußische Fluchtliniengesetz.
Der Grundgedanke ist: Der Staat stellt den Eigentümer, der sich durch einen
Neu= oder Umbau Vorteile des allgemeinen Berkehrs zu nutze machen will,
vor die Wahl, entweder die bestimmte Fläche ohne Entschädigung — oder gegen
eine solche nur für den Grundwert an den Staat abzutreten — oder den Bau
zu unterlassen. Dieser Grundgedanke und das prenßische Vorbild ist aber
verlassen, indem auf Betreiben der Bürgerschaft die Bestimmung Aufnahme
fand, daß der innerhalb von zehn Jahren nach Festsetzung der Häuserlinien
zurücktretende Grundeigentümer auch für den Gebäudewert entschädigt wird.
Bürgerschaftl. Kommissionsbericht in Verh. 1894 Anl. Nr. 11.
2) Entsch, des O. A. G. Lübeck bei Stadtländer und Lahusen, Sammlung
N. 16 S. 82. .
3) Auslegung der Bestimmungen in Hans. G. Ztg. 1903 N. 101 S. 176;
N. 91 S. 152.
4) Der Anlieger der Straße hat kein Privatrecht auf ihren Fortbestand
überhaupt oder ohne Veränderung, kann also insbesondere bei Höher= oder
Tieferlegung keinen Ersatzanspruch gegen den Staat geltend machen.