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4. Die Anerkennung der Glaubens- und Gewissens—
freiheit aller Staatsgenossen und des Grundsatzes, daß das religiöse
Bekenntnis ohne Einfluß auf den Genuß bürgerlicher und staats—
bürgerlicher Rechte ist. (8 12).
Dieser Grundsatz bedeutete in der Verfassung von 1849 etwas
wesentlich neues. Erst seit Anfang des 19. Jahrhunderts waren die
Anhänger der verschiedenen christlichen Konfessionen für den Erwerb
der staatsbürgerlichen Rechte einander gleichgestellt. Die Juden
konnten bis 1849 nicht Bürger werden. In Gemäßheit der Ver—
fassungsbestimmung ordnete die V. vom 25. Juni 1849 ihre Rechts—
stellung.!)) Die revidierte Verfassung von 1854 (8 12) schränkte den
Grundsatz wieder ein: im Genuß der staatsbürgerlichen Rechte soll
nur die Verschiedenheit der anerkannten christlichen Konfessionen keinen
Unterschied machen, nur für sonstige bürgerliche Rechte das religiöse
Bekenntnis gleich sein. Dementsprechend machte sie die Wahl zum
Senator (§ 23), zum Richter (§ 73) von der Zugehörigkeit zu einer
der anerkannten chhristlichen Konfessionen abhängig. Diese Be-
schränkungen fielen infolge des Reichsgesetzes vom 3. Juli 1869:
„Alle noch bestehenden, aus der Verschiedenheit des religiösen Be-
kenntnisses hergeleiteten Beschränkungen der bürgerlichen und staats-
bürgerlichen Rechte werden hierdurch aufgehoben. Insbesondere
soll die Befähigung zur Teilnahme an der Gemeinde= und Landes-
vertretung und zur Bekleidung öffentlicher Aemter vom religiösen Be-
kenntnis unabhängig sein.“ Die Verfassung von 1875 brachte dann
die jetzige Fassung.
5. Die Freiheit der Meinungsäußerung, Preß-
freiheit. (§ 13.) Die im Anschluß an Beschlüsse des deutschen
Bundes bestehenden Beschränkungen der Preßfreiheit — Zensur —
wurden 1848 schon vor der Verfassungsgesetzgebung durch provisorische
stimmungen (V. d. Senats vom 10. März 1848) aufgehoben. Die
Verfassung von 1849 sanktionierte (Art. 10 § 21): „Die Prresse ist
frei; Zensur findet nicht statt. Auch darf die Preßfreiheit weder
durch Konzessionen noch durch Sicherheitsleistungen beschränkt werden.
Ueber Preßvergehen entscheiden Geschworene nach Maßgabe des Ge-
setzes“, Das provisorische Preßgesetz vom 7. Februar 1851 (S. 57)
traf nähere Bestimmungen. Die Verfassung von 1854 (vorher schon
1) An ihre Stelle ist getreten das Gesetz vom 5. Januar 1855 (S. 1), die
bürgerlichen Verhältnisse der Juden betreffend.