Full text: Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten. Erster Theil, Erster Band. (1)

II. Allgemeine Grundsätze des Rechts. 63 
  
Landestheile unmittelbar betheiligt sei, sondern es ist genug. wenn das Wohl eines ganzen Land- 
strichs unmittelbar besördert wird, wie z. B., wenn bei Ueberschwemmungen eines Strom= oder Deich- 
ebiets die Ableitung über die nicht inundirten Grundstücke einzelner Gemeinden oder Personen mitteist 
urchstichs bewerkstelligt wird. Ang. von dem III. S. des Obertr. den 10. Nov. 1848, 7%/c1. III, 
48. Deun mittelbar interessirt bei der Erhaltung eines solchen Landestheiles immer die Ersammt= 
beit. (3. A.) Dieser Grundsatz, daß die besprochene Vorschrift sich keineswegs bloß auf Verfügungen, 
die lediglich das allgemeine Landeeinteresse betreffen, beschränke, sondern alle Fälle umsasse, wo der 
Einzelne von Seiten der Staatsbehörden genöthigt wird, sein besonderes Recht zum Besten anderer 
Staatsangehöriger aufzugeben oder zu beschränken, — wird von dem Obertr. auch in dem Erk. vom 
8. Februar 18586, betreffend dat Rechtsverhältniß der Berliner Marktbuden oder Scharrn, anerkannt. 
(Entsch. Bd. XXXNH. S. 23.) Vergl. G. vom 11. Mai 1842, 5. 4 (G. S. S. 192). (5. A.) Dies 
ist jedoch als Rechtsgrundsotz nicht festgehalten; in späteren ähnlichen Fällen ist die Stadtgemeinde und 
nicht der Fiekus für ersaypflichtig erklärt worden. (Unten, Aum. 21 zu §. 31, Tit. 8.) Dann ist 
wieder in dem Erk. vom 23. April 1863 (Entsch. Bd. XIIX S. 80) der Fiskus verurtheilt worden. 
In diesem Falle wurde das Borhandensein eines allgemeinen Landesinteresses gesunden, weil es sich 
um die Verschonerung der Landeshauptstadt handelte und unmittelbare Genehmigung des Landesherrn 
vorlag. Diese Gründe hat jedoch derselbe 1I. S. des Obertr. bei der Entsch, eines späteren gleichen 
Folles wieder verworfen und ausgeführt, der Bebauungeplan für Berlin sei nur zum Besten der Stadt 
Grlin bestimmt. Erk. vom 5. Okt. 1865 (Emsch. Bd. LVI. S. 23, Note "?). Als Rechtsgrundsat ist 
schließlich (bis auf Weiteres) angenommen, daß die Verpflichtung des Fiskus zum Schadensersatze we- 
en Eingriffe in das Privateigenthum sich auf die Fälle, welche das allgemeine Landesinteresse betref- 
* (das hat ja das Obertr. in jenem Falle von 1863 eben auch gefundenk), beschränkt und keineswegs 
überall eintritt, wo der Einzelne Seitens des Staats oder seiner Behörden genöthigt wird, sein beson- 
dercs Recht zum Besten anderer Staarsangehörigen aufzugeben oder zu beschränken. Erk. des Obertr. 
dom 27. Febr. 1865 (Enrich. Bd. LIII. S. 31) und wieder in dem Erk. vom 31. Mai 1866 (Entsch. 
Bd. LVI. S. 19). Vergl. unten, Anm. 21 zu F§. 31 Ti. 8, und Anm. 39 #„# zu §. 66 Tit. 8. (4. A.) 
Wer im einzelnen Falle dieser Art die Entschädigung zu leisten hat, hängt davon ab, in wessen In- 
teresse die Expropriation erfolgt, ob deren Nutzen dem Staate in seiner Gesammtheit, oder innerdalb 
desselben bestimmten Kreisen oder Personen zu Gute kommt. Erk. des Obertr. v. 14. Juli 1859 (Arch. 
f. Rechtsf. Bd. XXXIV, S. 188). Wenn z. B. der Eigenthümer eines Hauses dasselbe zum Wieder- 
aufbaue abbricht und ihm das Recht zu dem Wiederaufbaue des Gebäudes in seiner biederigen Lage 
und in seinen früheren Grenzen zum Besten des Gemeinwohls, behufs Verbreikerung der Straße, von 
der Polizei ennogen wird, so muß ihm die Stadtgemeinde für die Entschädigung aufkommen. Erk. 
des Obertr. v. 21. April 1860 (Entsch. Bd. XIIII. S. 23). Vergl. die Erk. dess. v. 21. März 1851 
und v. 20. Dez. 1853 (Arch. f. Rechtsf. Bd. 1. S. 320 und XI, S. 164). — Ebenso ist, wenn die 
Deichbehörde in Folge ihrer gesetzlichen Befugniß zur Abwendung o grerr Schadens einen Deichdurch- 
ich hat bewirken lassen, — der Deichverband verpflichtet, die durch den Durchstich beschädigten Grund- 
sitzer zu entschädigen. Erk. des Obertr. v. 2. Juli 1852 (Arch. f. Rechtsf. Bd. VI. S. 220). (5. A.) 
Ueberhaupt ist die Frage: in wessen Interesse die Expropriation erfolgt sei, ob deren Nutzen dem Staate 
in seiner Gesammtheit, oder innerhalb desselben bestimmten Kreisen oder Personen zu Gute komme, 
thatsächlicher Natur und in jedem einzelnen Falle nach den vorwaltenden Umständen zu entscheiden. 
Erk. des Obertr. vom 27. Februar 1865 (Entsch. Bd. LIII, S. 31). 
II. Anwendungen des Grundsatzes sind: 
Wa) 8§. 70 u. 71 der Einl. (Anm. 81); 
b) 836. 29 — 32 u. 105, I. 8 wegen Einschränkung des Eigenthums Einzelner; 
e) 88. 258 — 262, 1, 9 wegen Wegschaffung von Alluvionen der Ufergrundstücke; 
d) d&6. 4 — 11, I, 11 Über den erzwungenen Verkauf; 
e) SS. 3 — 10, 1. 22 wegen Einräumung einer nothwendigen Erundg errchtigkeit: 
) SS. 4, 5, 18, 19, II. 15 wegen unfreiwilliger Überlassung von nd und Boden, so wie von 
Materialien zu Land- und Heerstraßen und Chausseen; wozu gehören: K.O. v. 11. Juni 1825 über 
die Enrschädigung für Feldsteine, Sand und Kies (G. S. S. 152); V. v. 8. August 1832 über die 
Entschädigung für abgetretenen Grund und Boden zum Chausseebaue, sowie die späteren Gesetze 
über die Ausdehnung auf andere Provinzen, namentlich: K.O. v. 17. Febr 1833 bezüglich auf 
Preußen (G.S. S. 202); K.O. v. 22. August 1833 bezüglich auf Posen (G.S. S. 117); K.O. 
vom 18. Okt. 1834 bezünlich auf Sachsen (G.S. S. 179); K.O. v. 25. März 1837 bezüglich auf 
Schlesien und Pommern (G.S. S. 69); K.O. v. 8. Dez. 1837 bezüglich auf Westphalen 
(G. S. 1828, S. 7); serner die K.O. v. 26. Dez. 1888, betr. die Ausdehnung der V. v. 8. Au 
1882 auf Entschädigungen für den zu Kanälen und öffentlichen Flußbauten abgetretenen Grund un 
Zedn * g8 S. ꝛ endlich das G. v. 8. Novbr. 1838 über die Eisenbahnunternehmungen, 
. s j. (G. S. S. 608); 
s) 58. 10 ff., II, 16, jetzt Allg. Berggesetz vom 24. Juni 1865, 5§. 135 ff., 148 ff., betr. die Ueber- 
lassung von Grund und Boden an Bergdanende: 
k) §. 69 der Gewerbeordnung vom 17. Jan. 1845, betr. die Untersagung einer gewerblichen Anlage 
aus Gründen des Gemeinwohls.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.