Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVII. Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck. (27)

92 Die Organisation des Staates. g 35 
g 35. Folgen der Pflichtverletzung; Haftung des Staates für seine Beamten. 
Die Rechtsfolgen einer Pflichtverletzung der Beamten können dreifacher Art sein: 
disziplinarische, strafrechtliche, privatrechtliche Folgen. 
I. Jede Pflichtverletzung des Beamten ist ein Dienstvergehen und kann 
disziplinarische Folgen nach sich ziehen. Diese Folgen gründen sich 
allein auf das Dienstverhältnis. Der Staat legt seinen Beamten die Erfüllung wei- 
terer Pflichten auf, als den Bürgern im allgemeinen. Das Disziplinarverfahren 
hat seinen Grund und Zweck lediglich im Dienstverhältnis; jedes Disziplinarver- 
fahren ist daher einzustellen, sobald der Beamte unter Verzicht auf Titel, Gehalt und 
Pension seinen Abschied nimmt (Brem. BG. § 100; Lüb. BG. F 60) 7). 
Die Beamtengesetze zählen keine einzelnen Disziplinardelikte auf — es wäre 
dies bei dem umfassenden Pflichtenverhältnis auch eine Unmöglichkeit — sondern 
bezeichnen als Tatbestand generell die Verletzung der dem Beamten obliegenden 
Pflichten (Brem. BG. § 73; Lüb. BG. § 35). Dem entspricht die Unbeschränktheit 
von Strafmaß und Strafhöhe, bei der außer der Erheblichkeit des Dienstvergehens 
auch die sonstige Führung zu berücksichtigen ist (Brem. BG. § 79, Lüb. BG. F 41) 2). 
Disziplinarstrafen sind: 
1. Ordnungsstrafen: Warnung, Verweis oder Geldstrafe — letztere 
in Lübeck mit der Höchstgrenze von 300 Mk. Geldstrafe kann mit Verweis verbunden 
werden (Brem. BG. 5 76; Lüb. BG. § 38). Warnungen und Verweise 5#) kann jeder 
Dienstvorgesetzte, Geldstrafen — in Lübeck bis zur allgemeinen Höchstgrenze von 
300 Mk., in Bremen bis zum Betrage des einmonatlichen Diensteinkommens, bei 
unbesoldeten Beamten bis zu 200 Mk. — können in Bremen die den einzelnen Ver- 
waltungszweigen vorstehenden Senatskommissare, — in Lübeck die Behörden — 
gegen die ihnen unterstellten Beamten verhängen (Brem. BG. 83, 84; Lüb. B. 
§ 45, 46; dort auch Näheres für die nicht richterlichen Beamten der Gerichte). Die 
Ordnungsstrafen sind nach verantwortlicher Vernehmung des Beamten schriftlich 
oder zu Protokoll unter Angabe der Gründe zu verhängen, dagegen findet Rekurs 
an den Senat statt (Brem. BG. § 85, 86; Lüb. BG. & 47, 48, hier Rekurs binnen 
14 Tagen). 
2. Strafversetzung in ein anderes, seiner Berufsbildung entsprechen- 
des Amt, in Lübeck stets verbunden mit einer vom Senat festzusetzenden Verminderung 
des Diensteinkommens; in Bremen kann der Senat eine solche bis zu ½ 5 des Gehalts- 
  
  
1) Ueber das Wesen der Disziplinargewalt des Staates: Jellinek, System , S. 214 f.; 
Laband, StfR.-“, I, S. 484 f. 
2) O. Mayer, Verw.-R. II, S. 214: „Die Disziplinarstrafgewalt trägt nicht jene Binde 
der Gerechtigkeit vor den Augen, um nur durch eine enge Oeffnung den Ausschnitt aus der Wirklich- 
keit zu sehen, der den Tatbestand der Verfehlung bildet. Sie berücksichtigt die bisherigen Verdienste, 
die Hoffnungen auf die Zukunft.“ 
3) In Spezialgesetzen kommen auch andre Ordnungsstrafen vor, so in Bremen für Zollbeamte 
Arreststrafe, für Feuermänner Strafdienst (Brem. BG. 5 136; G v. 22. April 1913, # 6). 
— Das Brem. B. 5 36 sieht ein Höchstmaß der Ordnungsstrafe nicht vor; doch bestimmt §& 84, 
daß Geldstrafen bis zum Betrage des Monatseinkommens von den vorgesetzten Senatskommissaren 
verhängt werden können. Daraus ist der Zweifel entstanden, ob der Senat, wenn er nach abge- 
schlossener Voruntersuchung im Disziplinarverfahren eine Ordnungsstrafe verhängt (B. 5 98), 
auch an diese Grenze gebunden ist. Aus dem Wortlaut des Gesetzes läßt sich dies nicht ableiten. 
Auch der Senat hat sich nicht daran gebunden gehalten; eine dagegen erhobene Zivilklage ist wegen 
Unzulässigkeit des Rechtswegs abgewiesen (HG#Z. 1910, n. 170).
	        
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