8 39 Entwicklung, Uebersicht. 105
Präsidium des Landgerichts verhängt. Der Betroffene kann dagegen auf Entschei-
dung im förmlichen Disziplinarverfahren antragen. Nur auf Grund eines solchen
kann die Dienstentlassung erfolgen. Im Disziplinarverfahren entscheidet als Diszi-
plinargericht erster und letzter Instanz in beiden Staaten das Hans. Oberlandes-
gericht in der Besetzung von 7 Mitgliedern (Brem. A. v. 1879 § 53 f., Lüb. G. die
Dienstvergehen der von Lübeck ernannten Richter und der Beamten der Staats-
anwaltschaft, sowie das Disziplinarverfahren gegen dieselben betr. v. 21. April 1879
S. 313) 7).
VI. Kapitel. Die Kommunalverbände.
§39. Entwicklung, Uebersicht. In größeren Staaten geht neben der admini-
strativen Gliederung in Verwaltungsbezirke die politische in Kommunalverbände-
einher. Kommunalverbände sind „Gebietskörperschaften“ im Staate, denen dieser
einen Teil seiner Aufgaben zur selbständigen Erledigung überläßt. Sie gleichen
Staaten im Staate; wie dieser haben sie eine räumliche Grundlage in ihrem Gebiet,
eine persönliche in ihren Angehörigen, sowie ihre eigenen Rechte und Aufgaben,
die sie unter Aufsicht des Staates verwalten; wie der Staat sind auch sie rechtsfähige
Vermögensträger 2).
In den Hansestädten waren die Kleinheit der Verhältnisse und die geschichtliche
Entwicklung aus Stadtrepubliken der Bildung von selbständigen Kommunalver=
bänden wenig günstig. Unter ihrer städtischen Verfassung bis zur Mitte des 19. Jahr-
hunderts war für eine kommunale Absonderung der herrschenden Stadt von dem
übrigen Gebiet kein Raum; das letztere hatte geringe Bedeutung; in den Landge-
meinden bildeten sich allerdings in Anknüpfung an wirtschaftliche Verbände Anfänge
einer politischen Organisation (unten § 42 1). Nach Ausbildung der Stadtverfassungen
zu Staatsverfassungen aber vollzog sich auch in Bremen und Lübeck die Aufteilung
des Gebietes in politische Gemeinden. Die bremische Verfassung (§F 72) gibt im An-
schluß an naturrechtliche Anschauungen und speziell an eine Bestimmung in den
Grundrechten des deutschen Volkes jeder Gemeinde des Staates „das Recht auf eine
selbständige Gemeindeverfassung“.
Die Stadtgemeinden Bremen und Lübeck — ebenso Ham-
burg im hamburgischen Staat — nehmen freilich auch heute eine Sonderstellung ein;
sie sind mit dem Staat aufs engste verbunden. Ihre Einwohner machen den bei
weitem größten Teil der Bewohner des Staates aus; die wirtschaftliche Bedeutung
des Staates steht und fällt mit der ihren. In Bremen ist die Einwohnerzahl des
übrigen Gebietes im Verhältnis zu der der Stadt Bremen verhältnismäßig noch
am größten und dieses hat — vor allem die Hafenstadt Bremerhaven — noch am.
meisten eigene Bedeutung. Dementsprechend ist auch in Bremen die kommunale
1) Das Lüb. Ges. gilt auch für Staatsanwälte, sofern es sich um eine Dienstentlassung handelt;
das. & 27; ferner für Assessoren: Ges. die Prüfungen usw. betr. v. 3. Febr. 1879, 5 19 (S. 311).
2) Ueber die Bedeutung der Gliederung des Staates in Selbstverwaltungsverbände: Jel-
linek, Staatslehre 3, S. 637 f.; über ihre Rechtsstellung: Jellinek, System , S. 275 f.;
Fleiner, Institutionen 2, S. 97 f.