8 40 Die Stadtgemeinden Bremen und Lübeck. 107
Lübeck sind darnach besondere politische und auch vermögens-
fähige Gemeinwesen
Das Gebiet beider Städte ist in den letzten Jahrzehnten durch Eingemein-
dungen mehrfach erweitert, das von Lübeck noch 1913 durch Eingemeindung
von 12 Gemeinden, darunter Travemünde, mehr als verdoppelt 1). Zur Stadtge-
meinde Lübeck gehören auch die in Gesetzen vielfach neben ihr besonders erwähnten
„Vorstädte“, für welche vor allen in baulicher Beziehung besondere Vorschriften
gelten 2).
Die Trennung der Stadt vom Staat ist in Bremen am
weitesten durchgebildet. Hier ist eine besondere Angehörigkeit der Stadt
Bremen gesetzlich anerkannt; sie setzt Staatsangehörigkeit voraus und wird durch
einjährigen Aufenthalt, Verehelichung und Abstammung nach Maßgabe des Reichs-
gesetzes über den Unterstützungswohnsitz — jetzt vom 30. Mai 1908 — erworben und
entsprechend verloren V. (die brem. Staats= und Gemeindeangehörigkeit betr. v. 2.
Jan. 1871 S. 1); ihre Bedeutung ist allerdings gering (z. B. Verf. 8 81) 8). Die
Stadt Bremen hat auch eine eigene Organisation, die sich freilich als
eine Modifikation der staatlichen an diese eng anlehnt. Ihre Organe sind der Senat und
die Stadtbürgerschaft; letztere umfaßt die von den städtischen Wählern gewählten
Bürgerschaftsmitglieder, welche Angehörige der Stadtgemeinde sind (Brem. Verf.
§+# 76, 77/). Zu Mitgliedern der Behörden für stadtbremische Gemeindeangelegen-
heiten, Anstalten und Stiftungen können nur Bürger gewählt werden, die Angehörige
der Stadtgemeinde Bremen sind (Brem. Verf. § 81 und Deput. G. J 5).
In Lübeck fällt die Organisation der Stadt mit der des Staates völlig zu-
sammen; Senat und Bürgerschaft erledigen hier auch die stadtlübeckischen Ange-
legenheiten (Verf. Art. 18, Abs. 2) 5). Doch haben auch hier einzelne Behörden nach
ihren Aufgaben und ihrer Zusammensetzung den besonderen Charakter von stadt-
lübeckischen Gemeindebehörden, so vor allem die „Verwaltungsbehörde für städtische
Gemeindeanstalten", der die städtischen Betriebe, das Gas= und Elektrizitätswerk,
das Wasserwerk, der Schlachthof, die Markthallen und die vom Staat erworbene
Straßenbahn unterstehen, und deren Mitglieder in der Stadtgemeinde Lübeck ihren
1) Für Bremen: Ges. betr. die Vereinigung von Teilen des Landgebietes mit der Stadt
Bremen v. 12. Dez. 1901 (S. 307). Für Lübeck: Ges. v. 13. Nov. 1912 (S. 514); die Rechts-
verhältnisse im Eingemeindungsgebiet wurden dabei möglichst unberührt gelassen; auch das Bürger-
schaftswahlrecht oben § 17 IV, Z. 2.
2) Die Vorstädte — St. Gertrud, St. Jürgen, St. Lorenz — wurden 1883 eingemeindet.
Das Eingemeindungsgesetz v. 13. Nov. 1912 (§ 2) bildet 4 neue Stadtteile, die als Vorstädte im Sinn
der Gesetze gelten sollen. Von den Vorstädten zu unterscheiden sind die „Vororte“, das sind an die
Stadt angrenzende Teile des Landgebietes (Bek. betr. die Begrenzung der Vororte der Stadt
Lübeck v. 16. März 1895 (II, S. 322). Näheres über die Stadt Lübeck und ihrer Vorstädte: die
freie und Hansestadt Lübeck, ein Beitrag zur Landeskunde (1890), S. 156 f. Auch V. die Grenzen
der Vorstädte betr. v. 23. März 1861 (I, S. 32).
3) Ein entsprechender Senatsentwurf für Lübeck betr. Erwerb und Verlust der Gemeinde-
angehörigkeit der Stadt Lübeck in Lüb. Verh. 1875 D. N. 6 wurde abgelehnt.
4) Da die stadtbremischen Wähler nicht in allen Wahlklassen mehr von den übrigen Wählern
getrennt sind (oben S. 51), paßt die Bestimmung nicht mehr recht; dagegen schon Verh. 1875,
S. 353. Herkömmlich gelten die Vertreter der 1.—4. Klasse als die stadtbremischen Vertreter;
nur sie wählen nach § 6 Abs. 3 des Deputationsges. die Deputierten in Deputationen für stadt-
bremische Gemeindeangelegenheiten. Vgl. auch Dep.-G. §5 in der Fassung v. 9. April 1914.
5) Ebenso in Hamburg nach der Verf. Art. 97; dazu Wolffson, Hamb. StR., S. 33;
Wulff, Sammlung Hamb. Ges. I, S. 35, Anm. 18.