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schaft gewählt; die Wahl bedarf der Bestätigung des Senats (Kfm. O. 8 15) 1). Das
Gesetz unterscheidet einen doppelten Wirkungskreis der Handelskammer: ihre Ge-
schäftsführung der Kaufmannschaft und die ihr übertragenen staatlichen Aufgaben.
Zu ersterem gehört die Verwaltung des Vermögens der Kaufmannschaft und die
Leitung ihrer gewerblichen Unternehmungen; das sind vor allem das Lagergeschäft
im Hafen, der Schleppbetrieb im Hafen, auf der Trave und dem Elbe-Travekanal.
Als staatliche Aufgaben liegen ihr ob: die Wahrung der Interessen des Handels,
der Schiffahrt und der Industrie, soweit für die letzteren nicht die Gewerbekammer
zuständig ist (Kfm. O. § 22; unten § 46). Sie ist über alle Staatsverträge, Gesetze
und Verordnungen, die Handel, Schiffahrt oder Industrie betreffen, gutachtlich zu
hören (Kfm.O. § 30); sie übt die unmittelbare Aufsicht über die Börse 2), die Aufsicht
über die kaufmännische Fortbildungsschule #), sie stellt bestimmte „Handelsbeamte“
an und wirkt bei der Anstellung anderer mit (Näheres Kfm.O. § 22 a und b). Für
die einzelnen Geschäftszweige bildet sie Ausschüsse. Als „Oberbeamte“ hat sie 2
von ihr angestellte Sekretäre (Kfm.O. § 19) /.
§# 46. Die Vertretungen des Gewerbestandes. Die Gewerbekammer in Bre-
men wurde als erste in Deutschland durch die Verf.-Gesetzgebung von 1849 errichtet 5).
Die anderen Hansestädte folgten dem Beispiel, Lübeck durch Bildung einer Ge-
werbekammer durch G. v. 28. Juni 1867. In den Gewerbekammern der Hansestädte
sind Handwerk und Industrie gemeinsam vertreten 6). Da die Industrie
auch wichtige kommerzielle Interessen hat, deren Wahrnehmung Aufgabe der Han-
delskammer ist, berühren sich hier die Wirkungskreise beider Kammern. Die Kompe-
tenzschwierigkeiten, die sich beim Anwachsen der Bedeutung der Großindustrie in
den 3 Staaten daraus ergeben haben, sind jetzt durch schärfere Abgrenzung der Tätig-
keitsgebiete der Kammern beigelegt?). Ihrer wachsenden Bedeutung entsprechend
1) In Hamburg und Bremen wählt die Handelskammer selbst ihren Präses. Die abweichende
Regelung in Lübeck ist eine Folge der andersartigen Stellung der beiden Organe (oben);z er ist in
erster Linie „Präses der Kaufmannschaft“. Eingehende Verhandlungen über die Wahl des Präses
bei der Neuredaktion der Lüb. Kaufmannsordnung in 1898 (Bericht in Verh. 1898 D., n. 12, Anl.
2, 3). Die beiden Stellvertreter des Präses werden auch in Lübeck von der Handelskammer aus ihrer
Mitte gewählt (Kfm. O. § 18).
2) Lüb. Kfm.O. & 28. Lüb. Börsenordnung v. 6. Juli 1904 (S. 141) 8 4, 6.
3) Lüb. Ges. v. 6. Febr. 1905 (S. 15); die kaufmännischen Mitglieder des Schulvorstandes
werden von ihr ernannt. — Die Ernennung von Sachverständigen in Handels= und Schiffahrts-
sachen rrfocgt auf Vorschlag der Handelskammer durch das Stadt-= und Landamt: Ges. v. 21. Dez.
1887 (II, S. 41).
4) Auch diese sind nach der Definition des Lüb. BG. keine Beamte (oben F 32).
5) Brem. Verf. v. 1849, §J 175. Der Entwurf v. 1837 sah eine gemeinsame Kammer für Handel
und Gewerbe mit 2 Abteilungen vor. — Die Gewerbekammer in Hamburg wurde 1872 errichtet
(Ges. v. 18. Aug. 1872), nachdem schon seit 1864 in Ausführung des Art. 93 der Hamb. Verf. ein
„Gewerbeausschuß" bestanden hatte. Nagel, Die hanseatischen Gewerbekammern in Schmollers
Jahrbüchern Bd. VII, S. 561 f.; Hampke im Handwörterbuch der Staatswissenschaften",
Bd. IV, S. 995 f.; Jacobi, Die Brem. Gewerbekammer in den Jahren 1849—1884 (1884).
6) Der zugrunde liegende Begriff des „Gewerbes“ ist dabei insofern ein anderer als in der
Gewerbeordnung, als er das von der letzteren mit umfaßte „Handelsgewerbe“ nicht einschließt.
Durch ihre Definitionen — vgl. unten — schließen die Gewerbekammergesetze dieses aus.
7) In Bremen kamen die Differenzen zum Ausbruch, nachdem die Handelskammer 1900
sich einen „Industriebeirat“ beigeordnet hatte (uvgl. mein Brem. St.= und Verw.-R., S. 100, Anm. 2).
Die Gewerbekammer glaubte sich demgegenüber zur Vertretung der Interessen der Industrie aus-
schließlich berechtigt. Der Streit der Kammern wurde zu einem Verfassungskonflikt, da der Senat
sich auf die Seite der Handelskammer, die Bürgerschaft auf die der Gewerbekammer stellte. Auf
Veranlassung der letzteren arbeitete Prof. Loening, Halle, ein ausführliches Gutachten aus,