Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVII. Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck. (27)

128 Die Organisation bes Staates. 847 
  
die definitive Wahl vollziehen (Art. 11—15) 1). Die Vertreter der Industrie werden 
von und aus den Leitern der industriellen Betriebe im Staat in direkter Wahl ge- 
wählt (Näheres Art. 16—18). Für die Wählbarkeit ist u. a. Besitz des Staatsbürger- 
rechts und Betrieb des Gewerbes im Staatsgebiet seit mindestens 3 Jahren erforder- 
lich (Näheres Art. 6). Die Wahl geschieht auf 6 Jahre; alle 2 Jahre scheidet ein 
Drittel aus. 
Die Kammer zerfällt — mit weiter gehender Trennung als in Bremen — in 
eine Handwerks= und Industrieabteilung, von denen jede aus ihrer Mitte einen Vor- 
sitzenden wählt, zwischen denen der Vorsitz in der Kammer alle 2 Jahre abwechselt 
(Art. 20, 23). Bei Beratung gemeinsamer Angelegenheiten treten die Abteilungen 
zusammen (Art. 21). Die Kammer hat einen rechts= oder staatswissenschaftlich ge- 
bildeten Konsulenten, den sie selbst wählt (Art. 25). Für ihre Ausgaben wird ihr im 
Budget ein Betrag zur Verfügung gestellt (Art. 27). 
Allgemeine Aufgabe der Gewerbekammer ist auch hier, die Interessen des Hand- 
werks sowie „auf gewerblichem und technischem Gebiete“ diejenigen der Industrie 
zu wahren und zu fördern (Art. 1). Sie soll in allen wichtigen einschlägigen Ange- 
legenheiten gehört werden (Art. 1 Abs. 2). Sie hat die reichsrechtlichen Aufgaben 
der Handwerkskammern. An der Verwaltung nimmt sie durch Delegation von Mit- 
gliedern in einzelne Behörden teil 2). Auch bringt sie gewerbliche Sachverständige 
dem Stadt-= und Landamt zur Ernennung in Vorschlag (Art. 29) 5). 
&# 47. Die Vertretungen der Landwirtschaft. 1. In Bremen wurde eine 
„Kammer für Landwirtschaft“ gleichzeitig mit den beiden anderen 
Kammern 1849 errichtet ); jetzt Verf. § 112—116; G. die K. f. Landwirtschaft betr. 
v. 1. Jan. 1894 (S. 58). Sie besteht aus 20 praktischen Landwirten, gewählt von 
und aus allen im Staat wohnhaften Landwirten, welche die zur Wahl in die Bürger- 
schaft erforderlichen Eigenschaften besitzen und wenigstens 3 ha Land im Staat selbst 
bewirtschaften; bei Pächtern ist ein Pachtvertrag von mindestens dreijähriger Dauer 
erforderlich (G. § 2, 3 mit Aenderung durch G. v. 12. Dez. 1901, S. 313) 5). Die 
Wahl geschieht in 5 Bezirken, deren jeder 4 Vertreter wählt. Alle 3 Jahre scheidet 
die Hälfte der Mitglieder aus. Die Ausscheidenden sind sofort wieder wählbar (§ 12, 
13). Die Kammer hat einen rechtsgelehrten Konsulenten im Nebenamt (G. § 23). Ein 
1) Die Wahl durch die Innungen und Vereinigungen wurde 1898 im Anschluß an die Bestim- 
mungen der Gew.O. 8 103 a über die Bildung der Handwerkskammern eingeführt (Bericht in Verh. 
1898 D., u. 14 a). 
2) Nach Art. 29, Abs. 2 ordnet sie ein von der Handwerks= und ein von der Industrieabteilung 
zu wählendes Mitglied in Abt. II der Oberschulbehörde für die Gewerbeschule und Baugewerk- 
schule ab, sowie ein von der Industrieabteilung zu wählendes Mitglied in den Industrieausschuß 
des Finanzdepartements. 
3) Lüb. Ges. betr. die Anstellung von Sachverständigen und Auktionatoren v. 21. Dez. 1887 
(II, S. 41); mit Nachtrag v. 27. Okt. 1909 (S. 294). 
4) In die Verf. v. 1849 wurde diese Kammer wegen der geringeren Bedeutung der Landwirt- 
schaft für den Staat nicht mit aufsgenommen, sondern ein besonderes Ges. — v. 25. April 1849 — 
darüber erlassen (Prot. der Verf.-Deputation v. 1848, Bd. II, S. 235). Die Verfassung v. 1854 
stellte sie den beiden andern Kammern an die Seite (Verf. § 87). Die Brem. Kammer f. Land- 
wirtschaft ist die älteste in Deutschland. 
5) Die Kammer kann die wahlberechtigten Landwirte der einzelnen Bezirke zur Beratung über 
landwirtschaftliche Sachen versammeln (Ges. § 21); damit sollte ein Ersatz für eine breitere korporative 
Grundlage, wie die beiden andern Kammern sie besitzen, geschaffen werden; ein „Landkonvent“ 
wurde bei den Beratungen 1848 abgelehnt (Prot. Bd. II, S. 281 f.).
	        
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