Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVII. Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck. (27)

8 48 Der Begriff des Gesetzes. 129 
  
Fonds aus Staatsmitteln steht ihr jährlich für ihre Ausgaben zur Verfügung (G. 
8 22). Sie hat alles, was die Landwirtschaft angeht, zu beachten und auf ihre Hebung 
hinzuwirken (G. § 18 ff.). Ueber die Landwirtschaft betreffende Gesetze ist sie vorab 
gutachtlich zu hören (§ 20). 
2. Die „Landwirtschaftskammer“ in Lübeck wurde durch G. 
v. 20. Sept. 1905 (S. 129) nach dem Muster der preußischen Landwirtschaftskammern 
errichtet 1). Sie besteht aus 12 Mitgliedern, gewählt von den Eigentümern, Nutz- 
nießern oder Pächtern eines im Staat belegenen, auf mindestens 100 Mk. Reinertrag 
amtlich geschätzten Grundbesitzes (G. § 9). Für die Wählbarkeit ist außerdem u. a. 
Besitz des Bürgerrechts erforderlich (G. § 6, 7)2). Die Kammer hat die Landwirt- 
schaft zu fördern; sie vertritt den Berufsstand der Landwirte im Staate und berät 
den Senat und die Behörden in einschlägigen Sachen (G. § 3). Sie hat nach aus- 
drücklicher Bestimmung die Rechte einer juristischen Person (G. § 2). Zu ihren Aus- 
lagen leistet die Staatskasse einen Zuschuß. Im übrigen werden zur Deckung ihrer 
Ausgaben von den Wahlberechtigten Umlagen nach dem Grundsteuerreinertrag 
ihrer Grundstücke erhoben (G. 30 ff.). 
Fünfter Abschnikt. Die Gesetzgebung. 
*# 48. Der Begriff des Gesetzes. Es gibt einen doppelten Begriff des Gesetzes: 
Das Gesetz im materiellen und formellen Sinne. Jener sieht auf den Inhalt, dieser 
auf die Form des Aktes. Gesetz im materiellen Sinne ist „die rechtsverbindliche An- 
ordnung eines Rechtssatzes“, d. h. einer allgemein verbindlichen Vorschrift für 
die Untertanen durch den Staat (Laband, Staatsrecht 15 Bd. II S. 2). Im formellen 
Sinne ist Gesetz jeder in der Form eines solchen erscheinende staatliche Willensakt, 
auch wenn er die Anordnung eines Rechtssatzes nicht enthält. Der Begriff des for- 
mellen Gesetzes hat sich gebildet in Staaten, in denen die Volksvertretung in erster 
Linie Legislative, d. h. Organ zur Mitwirkung bei der materiellen Gesetzgebung, 
war; hier wurde dann die Form der Gesetzgebung auch für andere Angelegenheiten, 
die an die Mitwirkung der Volksvertretung geknüpft wurden, benutzt; die preußische 
Verfassung, und nach ihr die Reichsverfassung, lassen den Etat jährlich durch ein Gesetz 
festgestellt werden und bringen damit zum Ausdruck, daß die Feststellung im Wege der 
Gesetzgebung unter Mitwirkung der Volksvertretung erfolgen muß. Auf die staat- 
lichen Verhältnisse der Hansestädte ist der Begriff der formellen Gesetzgebung nicht 
zugeschnitten. Hier ist die materielle Gesetzgebung nicht Grund= und Eckstein der 
Tätigkeit der Bürgerschaft. Ihre Mitwirkung ging von vornherein über die Schaffung 
von Rechtsnormen weit hinaus. Demgemäß werden in Bremen und Lübeck auch 
keineswegs alle gemeinschaftlichen Beschlüsse von Senat und Bürgerschaft als Ge- 
1) Das preuß. Ges. über Landwirtschaftskammern v. 30. Juni 1894 führte in vielen deutschen 
Staaten zur Schaffung gleicher Einrichtungen. In Hamburg besteht eine entsprechende Ver- 
tretung der Landwirtschaft nicht. 
2) Weibliche Personen können das aktive, nicht aber das passive Wahlrecht besitzen; über ihre 
Vertretung bei Ausübung des Wahlrechts: Ges. § 11. 
Bollmann, Bremen und Lübeck. 9
	        
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