Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVII. Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck. (27)

138 Die Verwaltung. 8 52 
ist auf Verlangen schriftlich zu erlassen; im Falle der Ablehnung ist er mit Gründen 
zu versehen. Auch in Lübeck ist die Beschwerde an die vorgesetzte Behörde und den 
Senat allgemein zugelassen 1). Nur in den besonders bestimmten Fällen, so vor 
alle m bei Strafverfügungen und Strafbefehlen (unten § 53, 564), ist die Einlegung 
der Beschwerde an eine Frist geknüpft. 
Da aber auch die Beschwerde nur zu einer Nachprüfung durch die Verwaltungs- 
behörden selbst führt, auch ein Verfahren, das die Berücksichtigung der Rechte und 
Interessen des Betroffenen gewährleistet, im allgemeinen vermissen läßt, genügt 
sie nicht dem Bedürfnisse nach einem Rechtsschutz durch unabhängige Organe in 
einem geregelten Streitverfahren. Einen solchen Rechtsschutz können die ordentlichen 
Gerichte gewähren, soweit der Rechtsweg vor ihnen in Verwaltungssachen beschritten 
werden kann, wie das in Bremen weitgehend der Fall ist (unten § 53 1). In den 
meisten deutschen Staaten dagegen sind neuerdings besondere Verwaltungsgerichte 
eingesetzt 2), die, mit den Garantien richterlicher Unabhängigkeit umgeben, in 
einem geregelten Verfahren über die Gesetzmäßigkeit der Verwaltungsakte 
zum Schutze der Rechte des Einzelnen, sowie zur Wahrung der Rechtsordnung 
entscheiden. Eine solche Verwaltungsgerichtsbarkeit fehlt bisher 
in den Hansestädten; die Kleinheit der Staaten, die Art ihrer Verwaltungs- 
organisation machen die Einführung schwierig; in Hamburg und Bremen tritt 
auch das Bedürfnis wegen der ausgedehnten Zuständigkeit der ordentlichen 
Gerichte weniger dringend hervor; doch schweben zurzeit Verhandlungen über 
ihre Einführung ?). 
Nur auf einzelnen Gebieten, vorwiegend auf Grund reichsrechtlicher Vorschrif- 
ten besteht schon jetzt ein Verwaltungsstreitverfahren. Hierhin ge- 
hören — abgesehen von dem reichsrechtlich organisierten Verfahren in Versicherungs- 
sachen: — 1. das Rekursverfahren in Gewerbesachen auf Grund der §§ 20, 21 der 
Gewerbeordnung. Rekursbehörde in Gewerbesachen ist eine Senatskommission 
von 3 Mitgliedern — in Lübeck 2 Senatoren und 1 Senatssekretär — die auf Grund 
1) Anerkannt in der Lüb. AV. zum GVG. v. 3. Febr. 1879 (I, S. 301), 5 110, 12; danach 
kann gegen Verfügungen eines Beamten „auf Abhilfe“ bei der vorgesetzten Behörde angetragen 
und gegen solche der Verwaltungsbehörden Beschwerde an den Senat erhoben werden. Ueber die 
Bedeutung dieser Bestimmungen für die Beschreitung des Rechtswegs unten S. 143. Eine Regelung 
des Beschwerdeverfahrens ist in dem Lüb. Ges. die Strafbefugnisse der Polizei= und Verwaltungs- 
behörden des Staates und der Stadtgemeinde Lübeck, sowie das Verfahren vor denselben und die 
Beschwerden in Verwaltungssachen betr. v. 16. Juni 1879 (I, S. 322) für den Umfang dieses 
Gesetzes erfolgt; unten S. 144, 148. 
2) Einen trefflichen, kurzen Ueberblick über die Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit 
in Deutschland gibt Fleiner, Institutionen, § 15. # 
3) In Lübeck legte der Senat 1903 der Bürgerschaft den Entwurf eines Ges. betr. die 
Verwaltungsrechtspflege vor (Lüb. Verh. 1903 D. N. 1)zer beschränkte sich darauf, für die Beschwerde 
ein Streitverfahren vor einer Senatskommission von 3 Mitgliedern zu schaffen. Die Kommission 
des Bürgerausschusses wünschte in ihrem Bericht (Verh. 1903 D. N. XIX) die Einsetzung einer 
mit 3 Senatoren und 2 Richtern besetzten „Behörde für Verwaltungsstreitsachen“. Dagegen empfahl 
der eingehend begründete Bericht der Kommission der Bürgerschaft (Verh. 1908 D. N. XXVII), 
die Senatsvorlage abzulehnen und den Senat um eine neue Vorlage zu ersuchen mit einem aus 
2 Senatoren und 3 Richtern gebildeten Verwaltungsgerichtshof, der in allen Verwaltungsstreit- 
sachen entscheiden soll. Die Bürgerschaft lehnte demgemäß die Vorlage ab. Ein neuer Entwurf 
liegt jetzt dem Bürgerausschuß vor (Verh. 1914, N. 14). — In Hamburg hatr der Senat am 12. 
Dez. 1910 der Bürgerschaft den Entwurf eines Gesetzes über Einführung der Verwaltungsgerichts- 
barkeit vorgelegt, über den diese berät. — In Bremen ist bereits vor Jahren eine Deputation 
eingesetzt zur Beratung über das Verwaltungsstreitverfahren.
	        
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