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ist auf Verlangen schriftlich zu erlassen; im Falle der Ablehnung ist er mit Gründen
zu versehen. Auch in Lübeck ist die Beschwerde an die vorgesetzte Behörde und den
Senat allgemein zugelassen 1). Nur in den besonders bestimmten Fällen, so vor
alle m bei Strafverfügungen und Strafbefehlen (unten § 53, 564), ist die Einlegung
der Beschwerde an eine Frist geknüpft.
Da aber auch die Beschwerde nur zu einer Nachprüfung durch die Verwaltungs-
behörden selbst führt, auch ein Verfahren, das die Berücksichtigung der Rechte und
Interessen des Betroffenen gewährleistet, im allgemeinen vermissen läßt, genügt
sie nicht dem Bedürfnisse nach einem Rechtsschutz durch unabhängige Organe in
einem geregelten Streitverfahren. Einen solchen Rechtsschutz können die ordentlichen
Gerichte gewähren, soweit der Rechtsweg vor ihnen in Verwaltungssachen beschritten
werden kann, wie das in Bremen weitgehend der Fall ist (unten § 53 1). In den
meisten deutschen Staaten dagegen sind neuerdings besondere Verwaltungsgerichte
eingesetzt 2), die, mit den Garantien richterlicher Unabhängigkeit umgeben, in
einem geregelten Verfahren über die Gesetzmäßigkeit der Verwaltungsakte
zum Schutze der Rechte des Einzelnen, sowie zur Wahrung der Rechtsordnung
entscheiden. Eine solche Verwaltungsgerichtsbarkeit fehlt bisher
in den Hansestädten; die Kleinheit der Staaten, die Art ihrer Verwaltungs-
organisation machen die Einführung schwierig; in Hamburg und Bremen tritt
auch das Bedürfnis wegen der ausgedehnten Zuständigkeit der ordentlichen
Gerichte weniger dringend hervor; doch schweben zurzeit Verhandlungen über
ihre Einführung ?).
Nur auf einzelnen Gebieten, vorwiegend auf Grund reichsrechtlicher Vorschrif-
ten besteht schon jetzt ein Verwaltungsstreitverfahren. Hierhin ge-
hören — abgesehen von dem reichsrechtlich organisierten Verfahren in Versicherungs-
sachen: — 1. das Rekursverfahren in Gewerbesachen auf Grund der §§ 20, 21 der
Gewerbeordnung. Rekursbehörde in Gewerbesachen ist eine Senatskommission
von 3 Mitgliedern — in Lübeck 2 Senatoren und 1 Senatssekretär — die auf Grund
1) Anerkannt in der Lüb. AV. zum GVG. v. 3. Febr. 1879 (I, S. 301), 5 110, 12; danach
kann gegen Verfügungen eines Beamten „auf Abhilfe“ bei der vorgesetzten Behörde angetragen
und gegen solche der Verwaltungsbehörden Beschwerde an den Senat erhoben werden. Ueber die
Bedeutung dieser Bestimmungen für die Beschreitung des Rechtswegs unten S. 143. Eine Regelung
des Beschwerdeverfahrens ist in dem Lüb. Ges. die Strafbefugnisse der Polizei= und Verwaltungs-
behörden des Staates und der Stadtgemeinde Lübeck, sowie das Verfahren vor denselben und die
Beschwerden in Verwaltungssachen betr. v. 16. Juni 1879 (I, S. 322) für den Umfang dieses
Gesetzes erfolgt; unten S. 144, 148.
2) Einen trefflichen, kurzen Ueberblick über die Entwicklung der Verwaltungsgerichtsbarkeit
in Deutschland gibt Fleiner, Institutionen, § 15. #
3) In Lübeck legte der Senat 1903 der Bürgerschaft den Entwurf eines Ges. betr. die
Verwaltungsrechtspflege vor (Lüb. Verh. 1903 D. N. 1)zer beschränkte sich darauf, für die Beschwerde
ein Streitverfahren vor einer Senatskommission von 3 Mitgliedern zu schaffen. Die Kommission
des Bürgerausschusses wünschte in ihrem Bericht (Verh. 1903 D. N. XIX) die Einsetzung einer
mit 3 Senatoren und 2 Richtern besetzten „Behörde für Verwaltungsstreitsachen“. Dagegen empfahl
der eingehend begründete Bericht der Kommission der Bürgerschaft (Verh. 1908 D. N. XXVII),
die Senatsvorlage abzulehnen und den Senat um eine neue Vorlage zu ersuchen mit einem aus
2 Senatoren und 3 Richtern gebildeten Verwaltungsgerichtshof, der in allen Verwaltungsstreit-
sachen entscheiden soll. Die Bürgerschaft lehnte demgemäß die Vorlage ab. Ein neuer Entwurf
liegt jetzt dem Bürgerausschuß vor (Verh. 1914, N. 14). — In Hamburg hatr der Senat am 12.
Dez. 1910 der Bürgerschaft den Entwurf eines Gesetzes über Einführung der Verwaltungsgerichts-
barkeit vorgelegt, über den diese berät. — In Bremen ist bereits vor Jahren eine Deputation
eingesetzt zur Beratung über das Verwaltungsstreitverfahren.