Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVII. Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck. (27)

144 Die Verwaltung. 5 53 
  
provisorische Entscheidung durch sie aus Zweckmäßigkeitsgründen zu- 
gelassen. 
1. In Zivilsachen gehört hierher kraft Reichsrechtes z. B. die Befugnis 
der Polizei, Streitigkeiten zwischen Reisenden und Wirten über die Preise, die der 
Seemannsämter, solche zwischen Schiffer und Mannschaft unter Vorbehalt des Rechts- 
weges zu entscheiden (Gew.O. & 75; Seemannsordnung § 130). 
Auf landesrechtlichen Bestimmungen beruhen: die provisorischen Entscheidungen 
der Polizeibehörden über Ansprüche der Armenverbände gegen Unterstützte oder 
deren unterhaltspflichtige Verwandte; der Gemeindevorsteher über den Anspruch 
auf Ersatzgeld bei Flurschäden; der Aufsichtsorgane in Wegestreitigkeiten 1). In 
Bremen kann die Polizei ferner bei Streitigkeiten zwischen Herrschaft und Gesinde 
auf Antrag eines Teiles einschreiten und provisorische Verfügungen erlassen (Brem. 
Gesindeordnung v. 18. Juli 1899 § 6). In Lübeck muß über Ersatzansprüche wegen 
Jagd= oder Wildschaden vor Beschreitung des Rechtsweges ein polizeiliches Ver- 
fahren stattfinden (Lüb. Jagdgesetz v. 28. Febr. 1900 § 73 ff.). 
2. In Strafsachen gestattet die Strafprozeßordnung §* 453 ff. der Landes- 
gesetzgebung, in bestimmten Grenzen den Polizei= und Finanzbehörden die Ver- 
hängung von Strafen zu übertragen. Die Landesgesetzgebung hat davon Gebrauch 
gemacht: 
a) In Bremern können die Polizeidirektion, die Aemter in den Hafenstädten 
und die Medizinalämter — in Lübeck das Polizeiamt — im Bereich ihrer Zu- 
ständigkeit wegen Uebertretungen von Reichs= oder Landesgesetzen durch Straf- 
verfügung auf Haft bis zu 14 Tagen, Geldstrafe, — auf die an ihre Stelle tre- 
tende Haft — und eine etwa verwirkte Einziehung erkennen 2). Die gleiche Be- 
fugnis haben in Bremen die Stadträte in Bremerhaven und Vegesack, die Ge- 
meindevorsteher der Landgemeinden in bezug auf die ihnen überlassene Polizei- 
verwaltung; die Gemeindevorsteher jedoch mit der Einschränkung, daß sie nur Geld- 
strafe bis 20 Mk., eine an ihre Stelle tretende Haftstrafe bis zu 4 Tagen, sowie Ein- 
ziehung verhängen können; endlich der Deichhauptmann mit der Beschränkung auf 
Geldstrafe bis 20 Mk. 3). 
Diese polizeilichen Strafverfügungen haben nur provisorische 
Bedeutung; der Betroffene kann binnen einer Woche nach der Bekanntmachung 
1) Brem. Ges. betr. das Verhältnis der Armenverbände zu unterstützungspflichtigen Ver- 
wandten der Hilfsbedürftigen v. 4. Sept. 1884 (S. 113); Armenordnung f. die Stadt Lübeck v. 
9. Dez. 1911 (S. 163), 3 16 f.; Lüb. AG. zum Unterstützungswohnsitzgesetz v. 9. Dez. 1911, §3.— 
Brem. Feldpolizeiordnung v. 20. Okt. 1887, § 30; Lüb. Ges. betr. die Feld= und Flurpolizei v. 16. 
Juli 1894, § 65 (diese Entscheidungen sind zum Teil sogar definitiv). — Brem. Wege-O. 
v. 28.-tt. 1909, §6; Lüb. Wege-O. v. 1874, § 17, Abs. 2. Im allgemeinen dazu Stein, Gren- 
zen, S. 21. 
2) Für Bremen: Aß. zu den Prozeßgesetzen v. 25. Juni 1879, § 94 f.; die polizeilichen 
Befugnisse des Landherrn sind durch Ges. v. 21. Mai 1913 auf die Polizeidirektion übertragen 
(oben § 43 1). — Für Lübeck: Ges. die Strafbefugnisse der Polizei= und Verwaltungsbehörden 
des Staats und der Stadtgemeinde Lüb. betr. v. 16. Juni 1879, § 1 f. und Lüb. AG. zur Str PO. 
v. 19. Juli 1899, § 10. Dem Gemeindevorstand in den Landgemeinden steht im allgemeinen 
eine Strafbefugnis hier nicht zu, anders als in Bremen (oben § 42 II, Z. 3b). — Für Hamburg: 
Verhältnisgesetz v. 23. April 1879, § 4 f. 
3) Für Bremerhaven: V. v. 28. März 1883, 5 3 (S. 52); für Vegesack: V. v. 18. Mai 1909 
§ 3 (S. 117); für die Landgemeinden: LG. 88K in der Fassung v. 5. März 1907 (S. 29); Brem. 
Deich-O. v. 1878, §5 35.
	        
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