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schule mit Besuchszwang für gewerbliche Lehrlinge in der Stadt Lübeck (G. v. 30. Juni
1909, S. 205); ihr ist eine Handwerkerschule und landwirtschaftliche Winterschule an-
gegliedert. Als weitere Fachschulen bestehen die Baugewerkschule und die Novi-
gationsschule, letztere unter Leitung einer besonderen Behörde.
Zur Errichtung von Privatschulen ist die Genehmigung der Oberschul-
behörde erforderlich, die auch die Aufsicht über sie führt (Unterrichts-G.
Art. 77 ff.).
III. Die über das Unterrichtswesen hinausreichende Jugendfürsorge
ist in neuerer Zeit in beiden Staaten ebenso wie in Hamburg zentralisiert durch Er-
richtung eines Jugendamtes: für Bremen G. betr. das Jugendamt v. 12. Dez.
1912 (S. 273); für Lübeck Nachtrag zum AG. zum BG#. v. 21. Jan. 1914 (S. 6)1).
Es führt, unterstützt von ehrenamtlich tätigen Jugendpflegern und Jugendpflegerinnen,
die Geschäfte des Gemeindewaisenrats in den Städten Bremen und Lübeck, sowie
im bremischen Landgebiet, und die Aufsicht über fürsorgebedürftige Minderjährige;
in Bremen wirkt es mit bei Führung der Generalvormundschaft (über
sie Brem. G. betr. die Generalvormundschaft in der Stadt Bremen und dem Land-
gebiet v. 21. Dez. 1912, S. 276; für Lübeck: G. über die gesetzl. Berufsvormundschaft
v. 7. Febr. 1912, S. 67). Pflegekinder unterstehen einer besonderen Aufsicht:
Brem. V. für die Stadt und das Landgebiet v. 19. Jan. 1913 (S. 13); Lüb. G. über
die Beaufsichtigung des Kostkinderwesens v. 7. Febr. 1912 (S. 67).
71. Staat und Kirche. I. Die Glaubens= und Gewissensfrei-
heit und der Grundsatz, daß die bürgerlichen und politischen Rechte von dem Reli-
gionsbekenntnis unabhängig sind — anerkannt in der Brem. Verf. § 12 —, sind auch
in den Hansestädten erst im 19. Jahrhundert zu voller Geltung gelangt. Nachdem
seit Anfang des Jahrhunderts die christlichen Konfessionen gleichgestellt waren (Art. 16
der Deutschen Bundesakte v. 1815), wurde um die Mitte des Jahrhunderts auch die
Zurücksetzung der Juden beseitigt 2). Die Unabhängigkeit der bürgerlichen und poli-
tischen Rechte vom Religionsbekenntnis ist jetzt durch G. des Nordd. Bundes v.
3. Juli 1869 gewährleistet.
Aus dem Grundsatze der Glaubensfreiheit folgt, daß niemand gezwungen ist,
einer bestimmten Religionsgemeinschaft oder überhaupt einer solchen anzugehören.
Ueber den Austritt aus der Kirche fehlen bisher in Bremen gesetz-
liche Bestimmungen. Daraus kann gegenüber dem Grundsatz der Verfassung § 12
1) In Lübeck ist das Jugendamt dem Stadt= und Landamt angegliedert. Hier sowohl wie in
Bremen soll unter den ehrenamtlichen Mitgliedern eine Frau sein. In Hamburg wurde durch Ges.
v. 9. Febr. 1910 die Behörde für öffentliche Jugendfürsorge (an Stelle des Waisenhauskollegiums)
eingeseht, ihr die öffentl. Fürsorge für Minderjährige übertragen und die Zwangserziehung neu
geregelt. — .
2) In Bremen hob die Verf. v. 1849 die Unterschiede des Religionsbekenntnisses auf.
Demgemäß wurde die Rechtsstellung der Juden, die bis dahin vom Bürgerrecht ausgeschlossen waren,
durch V. v. 25. Juni 1849 geordnet; an ihre Stelle trat später das noch geltende Ges. v. 5. Jan.
1855, die bürgerl. Verhältnisse der Juden betr. Die Verf. v. 1854 (§ 12) schränkte den Grundsatz
für die politischen Rechte wieder ein und stellte für sie nur die anerkannten christlichen Konfessionen
gleich; insbesondere sollte die Wahl zum Senator und zum Richter von der Zugehörigkeit zu ihnen
abhängig sein. Nachdem diese Beschränkungen infolge des RG. v. 3. Juli 1869 gefallen waren,
gab die Verf. v. 1875 dem #&12 die jetzige Fassung. — In Lübeck wurden die Juden 1848 zum Er-
werb des Bürgerrechts zugelassen (Ges. v. 30. Dez. 1848); 1852 wurde ihre gewerbliche Zurück-
setzung beseitigt (Ges. v. 16. Juni 1852).
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