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fügungen vermögensrechtlicher Art vor (Lüb. Verf. Art. 51 X Z. 2; V. v. 28. Okt. 1818
(I, S. 2). „Als Inhaber des Kirchenregimentes“ hat der Senat am 2. Januar 1895
die „Verfassung der evangelisch-lutherischen Kirche im Lüb.
Staate erlassen (II, S. 291 f., Nachtrag v. 28. März 1914). Er hat durch sie einen
Teil seiner Befugnisse einem Kirchenrat übertragen und in der Synode eine ge-
meinsame Vertretung der Gemeinden geschaffen. Die dem Senat vor-
behaltenen Befugnisse des Kirchenregiments (estätigung
der Pastorenwahlen, der Kirchengesetze u. a., Näheres Art. 3) werden durch seine
dem evangelisch lutherischen Bekenntnisse angehörende Mitglieder ausgeübt 1).
Der Kirchenrat besteht aus 2 der Landeskirche angehörenden Mitglie-
dern des Senats, dem Senior des Ministeriums, sowie aus einem geistlichen und
3 nicht geistlichen Mitgliedern, die auf Vorschlag des Ministeriums bzw. der
Synode vom Senat ernannt werden. Der Kirchenrat ist Vertreter der Landeskirche
und führt ihre Geschäfte; er beschließt gemeinsam mit der Synode die Kirchengesetze
und übt Aufsichtsbefugnisse über die Gemeinden und Geistlichen aus, entscheidet
auch bis zum Erlaß eines bisher nicht ergangenen Gesetzes über Amtsvergehen der
letzteren (Aufzählung seiner Befugnisse in Art. 6)). Als Vertreter des „bkirchlichen
Lehramtes und der theologischen Wissenschaft“ ist das geistliche Ministe-
rium beibehalten, bestehend aus allen Geistlichen im Staate unter dem Vorsitze
des vom Senat aus den Geistlichen der Stadt oder der Vorstädte erwählten Seniors
(Art. 9, 10) 2). Die Synode besteht aus je 4 Vorstandsmitgliedern jeder Kirchen-
gemeinde der Stadt Lübeck und je 2 der Vorstände der Kirchengemeinden von
Travemünde und der Landbezirke, unter denen sich je ein geistliches Mitglied befinden
muß, sowie aus 3 vom Kirchenrat ernannten Gemeindemitgliedern, die einem
Kirchenvorstande nicht angehören dürfen (Art. 12). Zu ihren Aufgaben gehört die
Mitwirkung bei Erlaß von Kirchengesetzen und Gemeindeordnungen, bei Ausschrei-
bung von Kirchensteuern, bei Bewilligung von Zuschüssen aus der allgsmeinen Kirchen-
kasse u. a. (Art. 14 in Fassung v. 28. März 1914). Kirchengesetze werden danach
von Kirchenrat und Synode beschlossen und vom Senat bestätigt und verkündet 9.
Gleichzeitig mit dieser Kirchenverfassung wurde durch G. v. 16. Jan. 1895 (II,
S. 301) eine „allgemeine Kirchenkasse für die evangelisch-lutherischen
Kirchengemeinden der Stadt Lübeck und deren Vorstädte“ „zur Bestreitung der aus.
über die früheren Verhältnisse der Lüb. Landeskirche: Friedberg, Die geltenden Verfassungs-
gesetze, 5 891. Ueber die Entwicklung der jetzigen Krchenverfassung: Fehling, Behn,
S. 157 f.
1) Damit ist die Anomalie, daß auch Nichtchristen das Kirchenregiment mit ausüben können
(Friedberg, Verfassungsrecht der evangelischen Landeskirchen, S. 120 f.), auch für Lübeck
beseitigt und eine Einrichtung ähnlich dem Patronat der luther. Mitglieder des Senats über die
Landeskirche in Hamburg geschaffen.
2) Vgl. dazu den Nachtrag v. 28. März 1914. Bei Amtsvergehen bezüglich der Lehre hat
der Kirchenrat vor der Entscheidung ein Gutachten des geistl. Ministeriums einzuholen (Art. 6,
Z. 7); zur Erteilung von Rügen an seine Mitglieder und an Kandidaten bezüglich ihres Wandels
und ihrer Lehre ist, sofern der Kirchenrat ein Verfahren nicht einleitet, auch das Ministerium
befugt (Art. 10, Z. 6).
3) Der Senior nimmt die Befugnisse eines Superintendenten wahr. Bestimmungen über
das Seniorat v. 28. Okt. 1871 (I, S. 137) mit Nachtrag v. 1. Aug. 1908 (S. 92).
4) Nach der Hamb. Kirchenverfassung werden die Kirchengesetze von der Synode allein be-
schlossen; sie sind vom Patronat zu bestätigen. Der Kirchenrat ist verwaltendes, nicht mitbeschließen-
des Organ (Hamb. Kirchenverf. v. 1896, §& 44, 48 f.).