Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVII. Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck. (27)

22 Die Grundlagen des Staates. 87 
  
Bewohner der Hansestädte eine vierfache: 1. die Bürger; 2. die Staatsange- 
hörigen ohne Bürgerrecht; 3. die Landesausländer, d. h. 
die Reichsangehörigen ohne bremische — lübeckische Staatsangehörigkeit; 4. die 
Reichsausländer. 
Nach der Zugehörigkeit zu einer dieser Gruppen entscheidet sich die Berechtigung 
des Einzelnen im Staate. Dabei werden unterschieden die politischen Rechte 
und die bürgerlichen Rechte. Die ersteren umfassen die Teilnahme am 
Verfassungsleben des Staates, insbesondere das Wahlrecht zur Volksvertretung; 
alle übrigen Berechtigungen — so das Recht, im Staate zu wohnen, dort ein Gewerbe 
zu treiben — werden als bürgerliche Rechte zusammengefaßt. 
2. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts gab es in den Hanse- 
städten entsprechend dem städtischen Charakter ihrer Verfassungen nur ein Stadt- 
bürgerrecht, das nicht nur die Grundlage der politischen Berechtigung, sondern der 
bürgerlichen Existenz überhaupt war. Nur der Bürger war berechtigt, sich in der 
Stadt niederzulassen ) und „Nahrung"“ oder Gewerbe zu betreiben. Jeder, der 
sich niederlassen wollte, war genötigt, Bürger zu werden. Der Bürgerver- 
band umfaßte grundsätzlich alle selbständigen Bewohner 
der Stadt. 
Das Bürgerrecht hatte einen mittelalterlich exklusiven Charakter. Die Auf- 
nahme von Fremden war von erschwerenden Bedingungen abhängig: Juden waren 
bis zur Mitte des Jahrhunderts ausgeschlossen (unten § 71 I.). Unter den Bürgern 
wieder gab es mehrere Klassen mit verschiedenen Berechtigungen; in Bremen wurde 
das große Bürgerrecht mit Handlungsfreiheit von dem kleinen Bürgerrecht unter- 
schieden; ferner das altstädtische Bürgerrecht von dem neustädtischen und vorstädti- 
schen 2). In Lübeck bestand neben dem Bürgerrecht ein besonderes „Einwohnerrecht“", 
dessen Erwerb leichter war und geringere Berechtigungen zur Folge hatte (Lüb. 
V. v. 27. Okt. 1810 S. 264). Eine Mittelstellung zwischen Bürgern und Fremden 
nahmen die sog. Schutzverwandten ein, denen gegen Zahlung eines Schutzgeldes 
die Niederlassung und der Gewerbebetrieb gestattet war 3). 
Die Weiterentwicklung im 19. Jahrhundert führte dann einmal zu 
einer Erweiterung des Kreises der politisch berechtigten 
Bürger und ferner zur Loslösung der bürgerlichen Berech- 
tigungen von der Zugehörigkeit zum Stadt= und Staats- 
bürgerverband. Die Ausdehnung der politischen Berechtigungen geschah 
durch die Verfassungsgesetzgebung von 1848/49; sie führte an Stelle des Stadtbürger- 
rechtes ein Staats bürgerrecht ein, das sich auf die Heimatsberechtigung in einer 
1) In Bremen wurde das 29. Statut, nach dem nur Bürger Grundeigentum oder Rechte 
an Grundstücken im Umkreis einer Meile von der Stadt besitzen durften, aufgehoben durch V. 
v. 25. Jan. 1826 (S. 1). 
2) Näheces: Dünzelmann, Beiträge zur Brem. Verfassungsgeschichte im Brem. Jahr- 
buch Bd. XVII, S. 1f. Das große Bürgerrecht wurde durch V. v. 1. Jan. 1863 aufgehoben; 
das vorstädtische durch V. v. 23. April 1849; im Anfang des 19. Jahrhunderts wurde das neu- 
städt. Bürgerrecht dem altstädt. allmählich gleichgestellt. 
3) Für Bremen V. v. 20. April 1829; für Lübeck V. v. 27. Okt. 1810, n. 7; auch noch das 
Lüb. G. v. 14. Nov. 1866 (S. 96), die Staatsangehörigkeit, das Staatsbürgerrecht und die Schutz- 
genossenschaft betr.
	        
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