Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVII. Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck. (27)

X Erwerb und Verlust des Staatsbürgerrechts. 25 
  
1. In Bremen ist nach der Verfassung (§ 2 Abs. 2) Bürger des Staates 
„jeder Angehörige desselben, welcher den Staatsbürgereid geleistet hat“. Jeder voll- 
jährige männliche ½) Staatsangehörige ist berechtigt, den Bürgereid zu leisten und damit 
Bürger zu werden. Vor der Ableistung des Eides ist eine Registraturgebühr von 
16,50 Mk. zu zahlen 2). Der Eid wird vor einer Kommission des Senats geleistet; 
er lautet: 
„Ich will dem Bremischen Freistaat treu und hold und der Obrigkeit und den 
Gesetzen gehorsam sein. Meine Pflichten als Staatsbürger will ich redlich erfüllen 
und, wenn ich in öffentlichen Angelegenheiten mitzuwirken habe, keine andere Rück- 
sicht walten lassen als die auf das gemeine Beste“ 3). 
Die früher bestehende Verpflichtung aller erwachsenen männlichen Staats- 
angehörigen zum Erwerbe des Bürgerrechtes ist durch Gesetz vom 26. Februar 
1904, betr. den Staatsbürgereid (S. 73), im allgemeinen aufgehoben. Eine 
Verpflichtung besteht nur noch (G. v. 26. Febr. 1904 § 2 Abs. 2): 
a) für die Beamten im Sinne des Beamtengesetzes, einschließlich der Richter; 
b) nach näherer Bestimmung des Senats für Angestellte des Staates, 
Beamte und Angestellte der bürgerlichen Gemeinden, kommunalen Verbände und 
sonstigen öffentlichen Körperschaften; 
Jc) für die Prediger der evangelischen Gemeinden; 
d) für die Rechtsanwälte und Notare. 
Ein Verlust des Bürgerrechts tritt ein gleichzeitig mit dem der Staatsangehörig- 
keit; einen Verlust als Strafe — etwa mit den bürgerlichen Ehrenrechten — oder 
eine freiwillige Aufgabe kennt das Gesetz nicht. 
2. In Lübeck sind nach der Verfassung (Art. 3) Bürger, „diejenigen lübeckischen 
Staatsangehörigen, welche den Staatsbürgereid geleistet und das erworbene Bürger- 
recht nicht wieder verloren haben“ "). Die Einzelheiten enthält das Gesetz, das Lüb. 
Staatsbürgerrecht betr., vom 2. Oktober 1907 (S. 163). Danach kann die Erteilung 
nicht unter Polizeiaussicht stehen und in den letzten 5 Jahren ein jährliches Einkommen von min- 
destens 1200 Mk. im Inland versteuert haben; verpflichtet zum Erwerb sind diejenigen Berechtigten, 
die in den letzten 3 Jahren mindestens 2000 Mk. jährlich versteuerten, sowie einzelne Beamten- 
gruppen. ..· . . 
1) Diese Beschränkung auf Männer ist nicht ausdrücklich erwähnt; man muß sie schon aus 
dem Gebrauch des männlichen Artikels entnehmen. Jedenfalls werden Frauen zur Leistung 
des Bürgereides nicht zugelassen. 
2) Brem. G. v. 27. Juni 1872 (S. 81); bis dahin 5 Taler. Diese Gebühr als die praktisch 
bedentieme Schranke des Bürgerrechts in Bremen wird daher im politischen Kampf heftig an- 
gefochten. 
3) Brem. Ges. v. 6. Juni 1873 (S. 85) u. 12. Juni 1889 (S. 143). Bis dahin enthielt der 
Eid noch das Gelöbnis der gewissenhaften Entrichtung der Steuern, „welche auf Eid erhoben wer- 
den“. Nichtbürger mußten einen besonderen Steuereid leisten. — Für Mitglieder einer Religions- 
gesellschaft, deren Bekenntnis die Leistung eines Eides nicht gestattet, enthält eine besondere For- 
mel das Ges. v. 15. Febr. 1882, S. 8. 
4) Der Entwicklungsgang in Lübeck war folgender: Nach dem Ges. v. 28. Nov. 1870 war der 
Erwerb des Bürgerrechts von Zahlung einer Gebühr und eines Stempels abhängig. Das Ges. 
v. 15. Dez. 1902 beseitigte in dem Bestreben, die Zahl der Bürger zu vermehren, beide Erforder- 
nisse und gab den Erwerb des Bürgerrechts frei. Im Zusammenhang mit der Aenderung des 
Wahlrechts in 1905 (unten § 17, 1 2) wurde dann der Erwerb des Bürgerrechts durch das Erforder- 
nis des fünfjähr. Wohnsitzes mit Steuerzahlung im Staate wieder erschwert (Ges. v. 19. Febr. 
1906); durch die Nov. v. 31. Juli 1907 erfolgte die nähere Regelung, worauf dann das Gesetz im 
Anschluß an die Bekanntmachung der Verf. ebenfalls neu publiziert wurde.
	        
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