26 Die Grundlagen des Staates. 8 10
des Bürgerrechts verlangen jeder volljährige oder für volljährig erklärte männliche
Staatsangehörige, der
a) seit mindestens 5 aufeinander folgenden Jahren seinen Wohnsitz im Lüb.
Staatsgebiet gehabt hat;
b) während dieser Zeit alljährlich mindestens so viel an Einkommensteuer bezahlt
hat, als für ein Einkommen in Höhe des niedrigsten steuerpflichtigen Betrages von
ihm zu entrichten war; dabei gelten Steuerbeträge, von deren Zahlung der Steuer-
pflichtige aus gesetzlichen Gründen befreit war, als gezahlt; und
J0) sich zurzeit im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte und der Fähigkeit
zur Bekleidung öffentlicher Aemter befindet, auch nicht unter Polizeiaufsicht steht.
Anträge auf Verleihung des Staatsbürgerrechts sind an das Stadt= und Land-
amt zu richten 1). Nach erfolgter Zulassung durch diese Behörde ist vor dem Senat
der Bürgereid zu leisten: „Ich gelobe der freien und Hansestadt Lübeck und dem
Senate Treue und Gehorsam. Ich will die Verfassung des Staates unverbrüchlich
halten und das Beste desselben nach meinen Kräften befördern, auch Schaden und
Nachteil von ihm abzuwenden suchen und allen mir als Bürger obliegenden Pflichten
getreulich nachkommen“ (G. v. 1907 Art. 4; dort auch über Ausnahmen). Die Ver-
leihung des Bürgerrechts erfolgt kostenfrei. Ueber Verleihung des Ehrenbürger-
rechtes unten S. 46.
Eine Verpflichtung zum Erwerbe des Bürgerrechts besteht nur für Be-
amte im Sinne des Lüb. Beamtengesetzes und Notare; sie müssen binnen 3 Monaten
nach ihrer Anstellung das Bürgerrecht erwerben; die Erfordernisse des Wohnsitzes
und der Steuerzahlung fallen für sie fort (G. v. 1907 Art. 1, 3 Abs. 2; Lüb. Beamteng.
v. 1914 § 10). Außerdem müssen Kaufleute, die zur Zeit ihres Eintrittes in die Kauf-
mannschaft zum Erwerbe des Bürgerrechts mangels 5jährigen Wohnsitzes und Steuer-
zahlung noch nicht berechtigt waren, das Bürgerrecht binnen 3 Monaten nach Er-
langung dieser Berechtigung und einer entsprechenden Aufforderung der Handels-
kammer erwerben, widrigenfalls ihre Mitgliedschaft in der Kaufmannschaft erlischt 2).
Ein Verlust des Bürgerrechts tritt ein (G. Art. 6): a) mit dem Verlust der Staats-
angehörigkeit; b) durch Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte oder der Fähig-
keit zur Bekleidung öffentlicher Aemter.
§ 10. Die Rechtsstellung der Staatsbürger, Staatsangehörigen und Aus-
länder. 1. a) Nur die Bürger sind zur Teilnahme am Staatsleben —politisch —
berechtigts). Damit sind die Frauen, weil sie das Bürgerrecht nicht er-
werben können, von den wichtigsten politischen Rechten ausgeschlossen. Nur ver-
einzelt findet sich eine Berechtigung der Frauen, so unter wirtschaftlichen Gesichts-
punkten in der Kommunalverwaltung der Landgemeinden (unten § 42), bei der Bil-
dung der Kammer für Kleinhandel in Bremen (§ 45 A II.), der Landwirtschafts-
9 Ges. v. 2. Okt. 1907, Art. 7. Gegen seine Verfügungen ist Beschwerde an den Senat
gegeben.
2) Nachtrag zur Lüb. Kaufmannsordnung v. ö. Febr. 1907 (S. 6). Grundsätzlich ist die Mitglied-
schaft in der Kaufmannschaft von dem Besitz des Bürgerrechts abhängig; durch die Nov. sollte
neu anziehenden Kaufleuten der Eintritt erleichtert werden.
3) Ueber die Bedenken gegen die Fassung des §& 2 des Brem. Ges. v. 26. Febr. 1904 mein
Brem. St.= und Verw.-R., S. 28, Anm. 2