28 Die Grundlagen des Staates. 8 11
Befreiungsgründe entscheidet der Senat; eine Befreiung aus anderen Gründen
kann nur vom Senat im Einvernehmen mit dem Bürgerausschuß geschehen. Un-
berechtigte Weigerung zieht eine nach der Steuerleistung bemessene, vom Senat
festzustellende Geldstrafe nach sich, deren Entrichtung aber nicht als Befreiung für
weitere Wahlen gilt. (Näheres V. v. 18. Juni 1860 Art. 3, 4.)
2. Die besondere Bedeutung der bremischen — lübeckischen —
Staatsangehörigkeit vor der Reichsangehörigkeit im allgemeinen be-
steht in der Hauptsache darin, daß sie die Voraussetzung zum Erwerb des Bürger-
rechtes und damit der politischen Rechte ist. In den bürgerlichen Rechten stehen die
übrigen Reichsangehörigen kraft Reichsrechtes den Einheimischen gleich. Doch ge-
nießen die Einheimischen Vorzüge auch in der Gemeindeverwaltung und bei Benutzung
einzelner Anstalten.
Die Staatsangehörigkeit ist ein persönliches Band, das den Einheimischen auch
außerhalb des Heimatsstaates mit diesem verbindet, während der Landesausländer
nur während seines Aufenthaltes im Staate zu diesem in Beziehungen steht. Dem-
gemäß erstreckt sich die Staatsgewalt des Heimatsstaates auf den Einheimischen auch
während seines Aufenthaltes im Auslande; auf der anderen Seite hat er gegen diesen
einen besonderen Anspruch auf Schutz im Auslande. Dieser Schutz
der Deutschen im Reichsauslande liegt nach der Reichsverfassung (Art. 4 Z. 7, 56)
dem Reiche ob, während er in den andern deutschen Staaten zunächst Sache des
Heimatsstaates ist 7).
3. Abgesehen von den hervorgehobenen Unterschieden stehen auch die übrigen
Reichsangehörigen den Staatsangehörigen gleich. Die Reichsverfassung
(Art. 3) hat alle Ungleichheit in den bürgerlichen Rechten unter den Deutschen be-
seitigt. Sache der Landesgesetzgebung ist es, wieweit sie die im Staat wohnenden
Reichsangehörigen politisch berechtigen und verpflichten will.
4. Auch die Ausländer, d. h. die Nichtreichsangehörigen, werden heute
in der Regel faktisch den Inländern gleich behandelt. Sie haben aber kein Recht auf
gleiche Behandlung, sofern ihnen solche nicht durch Staatsverträge gewährleistet ist.
Es fehlt ihnen vor allem das grundlegende Recht, sich im Staat aufzuhalten; sie unter-
liegen der Ausweisung. Zuständige Behörde für die Ausweisung von Ausländern
ist in Bremen die Polizeikommission des Senats, in Lübeck das Polizeiamt 2).
Während ihres Aufenthaltes im Inlande sind auch die Ausländer den Gesetzen
des Staates unterworfen; auch die Pflicht zur Steuerzahlung trifft sie, wenn auch
zum Teil mit Modifikationen. Andererseits genießen sie auch den Schutz der Gesetze;
im Privat= und Prozeßrecht stehen sie den Inländern grundsätzlich gleich.
§+# 11. „Grundrechte". Unter der Ueberschrift „Von den Rechten der
Bremischen Staatsgenossen“y) stellt die Brem. Verf. in ihrem 2. Ab-
1) Laband, StR.“, Bd. I, S. 152, 158 f.
2) In Bremen fehlen nähere gesetzl. Vorschriften darüber. Für Lübeck: Ges. die Strafbe-
fugnisse der Polizei und Verwaltungsbeh. betr. v. 16. Juni 1879, § 5 (I, S. 322); danach kann
die Ausweisung erfolgen, sofern die Polizeibehörden sie „im öffentlichen Interesse für erforderlich
erachten“. Auch Staatsverträge geben dem Ausländer kein Wohnrecht im Staat: HG#. 1899, Nr. 34.
3) Der frühere Ausdruck „Staatsgenosse“ — sonst 1875 in Staatsangehöriger geändert —
ist hier stehen geblieben, die „Rechte“ sind aber meist nicht nur solche der Staatsangehörigen; doch
beschränkt sich auf sie der § 17 betr. den Adel und Auszeichnungen.