8 20 Geschäftsformen der Bürgerschaft. 59
der Senat — in Lübeck auch der Bürgerausschuß — es verlangt oder 30 Mitglieder
schriftlich darauf antragen (Brem. Verf. § 49; Lüb. Verf. Art. 37).
3. Die Versammlungen sind in der Regel öffentlich; vertrauliche Sitzungen
finden statt, wenn der Senat es verlangt oder die Bürgerschaft es beschließt 1).
4. Die Bürgerschaft ist beschluß fähig in Bremen bei Anwesenheit von
50 Mitgliedern; in Lübeck, wenn mindestens die Hälfte „der jeweiligen Vertreter“
anwesend ist (vgl. oben S. 48 Anm. 5). Nach einer Sonderbestimmung der bremischen
Verfassung kann trotz mangelnder Beschlußfähigkeit eine gültige Beschlußfassung er-
folgen, wenn die Dringlichkeit des Gegenstandes keinen Aufschub leidet und dieses
bei der Einladung ausdrücklich angezeigt ist; auf Antrag des Senats hat das Bürger-
amt dies zu veranlassen 2). ’
5. Eine kommissarische Vertretung des Senats in den Sitzungen
der Bürgerschaft findet in Bremen nur statt, wenn der Senat es für erforderlich
hält oder die Bürgerschaft rechtzeitig einen dahin gehenden Wunsch ausspricht, dem
der Senat zu entsprechen hat. Der Senat kann den Kommissaren aus seiner Mitte
andere Personen, die nicht Mitglieder der Bürgerschaft sind, beiordnen 5).
In Lübeck ist der Senat in den Versammlungen der Bürgerschaft stets kom-
missarisch vertreten, außer bei Vornahme von Wahlen oder Angelegenheiten, über
welche die Bürgerschaft ohne Mitwirkung des Senats entscheiden kann. In der
Regel geschieht die Vertretung durch den hierzu bestellten ständigen Senats-
kommissar; bei wichtigen Sachen werden auch Spezialkommissare bestellt,
wozu der Senat auch dritte Personen, so Beamte, bestimmen kann )). Diese ständige
Anwesenheit des Senatskommissars gibt den Bürgerschaftsversammlungen in Lübeck
den Charakter von unmittelbaren Verhandlungen mit dem Senat; sie erleichtert die
Verständigung beider Organe, allerdings unter Verstärkung des Uebergewichts
des Senats bei geschickter Vertretung.
6. Die Disziplin in den Verhandlungen wird von dem Präsi-
denten — Wortführer — gehandhabt. Er kann Zuhörer, welche die Ruhe stören,
entfernen lassen (Brem. Gesch.O. § 13; Lüb. Gesch.O. § 17). Ueber die Disziplinar-
mittel gegen Mitglieder oben §& 18 BZ. 2.
7. Die Tagesordnung wird in Bremen vom Bürgeramt, in Lübeck vom Wort-
führer zusammengestellt. Beratungsgegenstände können Anträge des
Senats oder solche aus der Mitte der Bürgerschaft sein. In Lübeck haben Anträge
1) Näheres Brem. Verf. § 51; Gesch. O. der Brem. Bürg. & 24—26. Lüb. Verf. Art. 42;
Gesch. O. der Lüb. Bürg. § 14—16.
2) Brem. Verf. 5 50; Gesch. O. der Brem. Bürg. § 22 f. Lüb. Verf. Art. 40, Gesch.O. der
Lüb. Bürg. § 10 f.; danach kann die Feststellung des Protokolls ohne Rücksicht auf die Zahl der
Anwesenden beschlossen werden.
3) Brem. Ges. die Bürg. betr. § 19 f. Die Verf. v. 1849 und 1854 kannten eine Vertretung
des Senats in den Sitzungen der Bürgerschaft nicht. Erst das Ges. vom 8. Jan. 1872 (S. 1) ließ
eine solche „in besonderen Fällen“ nach Verständigung des Senats mit dem Bürgeramt zu. Bei
der Redaktion v. 1875 fiel diese Beschränkung. — In Hamburg kann der Senat ebenso zu allen
Bürg.-Versammlungen Kommissare abordnen und ist auf Wunsch der Bürg. dazu verpflichtet.
4) Lüb. Verf. Art. 41. Ueber die Bedeutung der Stellung des ständigen Kommissars: Feh-
ling, Behn, S. 169: Er „soll das Vertrauen nicht nur des Senats, sondern auch der Bürger-
schaft besitzen“; seine Aufgabe ist vornehmlich, „die erregten Wogen zu glätten, so zwar, daß auch
bei stark abweichender Stellung der Bürgerschaft der Senat doch nicht als besiegt abschneidet"
(Val. auch unten S. 68 Anm. I.) · «