Full text: Das öffentliche Recht der Gegenwart. Band XXVII. Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck. (27)

8 21 Bürgeramt und Bürgerausschuß. 63 
  
(Brem. Verf. § 47 b und e; über vertrauliche Besprechungen des Senats mit dem 
Bürgeramt oder einem Ausschusse desselben G. die Bürg. betr. § 24). 
c) Das Bürgeramt leitet die Geschäfte der Bürgerschaft. 
In diesen Präsidialgeschäften liegt seine Haupttätigkeit. Es beraumt die Sitzungen 
an, setzt die Tagesordnung fest, leitet die von der Bürgerschaft vorzunehmenden Wah- 
len, sorgt für Publikation der Bürgerschaftsverhandlungen, führt die Verwaltung 
über die Kosten der Versammlungen und stellt das Personal an 1). Das Nähere- 
über seinen Geschäftsgang enthält die Geschäftsordnung der Bürgerschaft (Verf. 
55; Gesch.O. §& 17). 
III. Der Bürgerausschuß in Lübeck?). 
1. Seine Zusammensetzung. Der Bürgerausschuß in Lübeck besteht 
aus 30 Mitgliedern — also dem vierten Teil der Bürgerschaft —, die von der Bürger- 
schaft aus ihrer Mitte mit relativer Stimmenmehrheit gewählt werden. Der Wort- 
führer der Bürgerschaft und seine Stellvertreter sind nicht wählbar. Die übrigen 
Mitglieder müssen die Wahl annehmen. Sie erfolgt in der Regel auf 2 Jahre; jähr- 
lich am 1. Montag im Dezember treten 15 Mitglieder aus und werden 15 neu ge- 
wählt. Die Austretenden sind nicht sofort wiederwählbar?). 
2. Seine Aufgaben. Der Bürgerausschuß hat die Stellung eines Parla- 
ments im Kleinen neben der Bürgerschaft 41); die Verfassung gibt auch ihm das all- 
gemeine Recht der Initiative: er kann Anträge an den Senat richten, 
sei es infolge Anregung der Bürgerschaft, sei es aus eigenem Antriebe ?). 
Im einzelnen gliedert sich seine Zuständigkeit nach ihren Hauptrichtungen: 
a) Er ist vorberatende und begutachtende Instanz für 
alle Vorlagen des Senats an die Bürgerschaft; der Senat muß stets vorab die Ansicht 
des Bürgerausschusses hören. Diese Ansicht hat die Bedeutung eines Gutachtens. 
Fällt sie ablehnend aus, so ist der Senat nicht gehindert, den Gegenstand an die Bür- 
gerschaft zu bringen. Doch muß er dieser auch die etwaige abweichende Ansicht des 
Bürgerausschusses sowie die von ihm gemachten Zusätze und Abänderungsvorschläge 
mit seinem Antrage vorlegen (Lüb. Verf. Art. 70). 
1) Brem. Verf. § 47, d; Gesch. O. der Bürg. § 12. Weitere Aufgaben können dem Bürgeramt 
von Senat und Bürgerschaft, und soweit es sich um solche der Geschäftsleitung der letzteren handelt, 
auch von dieser allein übertragen werden (Verf. 3 47 Abs. 2; Ges. die Bürg. betr. § 18). So wählt 
das Bürgeramt die Schätzungsbürger für Erhebung der Einkommensteuer (Ges. v. 26. März 1892, 
S. 53); 2 Mitglieder des Ausschusses für das Armenarbeitswesen (Ges. v. 21. Jan. 1911, § 3); ferner 
die stadtbremischen Armenpfleger (Ges. v. 30. April 1887, S. 52). 
2) Ueber Abschaffung oder Reform des Bürgerausschusses wird auf Anregung der Bürger- 
schaft zurzeit beraten. Seine obligatorische Funktion, alle Vorlagen des Senates vorzuberaten. 
macht allerdings das Verfahren überaus schwerfällig, was jetzt nach Einführung der 2. Lesung 
in der Bürgerschaft (oben S. 60) noch schärfer hervortritt. Schon bei der Verf.-Revision v. 1875 
forderte die Kommission des Bürgerausschusses die Abschaffung jener Funktion (Bericht in Verh. 
1874 D. n. VI, S. 14 f.). 
3) Lüb. Verf. Art. 53 f. Es soll nie mehr als die Hälfte des Bürgerausschusses aus Neugewähl- 
ten bestehen; wenn daher durch Sterbefälle oder dgl. die Zahl weiter reduziert ist, so bleiben ein- 
zelne Mitglieder nach Bestimmung des Bürgerausschusses länger als 2 Jahre, jedoch nicht über 
3 Jahre darin. Näheres auch Bruns, Lüb. Verf.-Gesch., S. 57 f. 
4) Die Lüb. Verf.-Verh. 1817, S. 27, stellen das „große Bürger-Collegium unter dem Namen 
Bürgerschaft“ seinem engeren Ausschuß gegenüber. * 
5) Lüb. Verf. Act. 71; oben § 19, Z. 2. Dagegen hat der Bürgerausschuß in Lübeck kein all- 
gemeines Aufsichtsrecht als „Wächter der Verfassung“ wie in Bremen und. Hamburg, auch kein. 
Interpellationsrecht.
	        
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