831 Entwicklung und Quellen des Beamtenrechts. 87
Entwicklung eines Berufsbeamtentums wenig günstig 1). Verwaltung und Recht-
sprechung besorgten die Ratsherrn, unterstützt von Bürgern im Ehrenamt, ihre
Stellung wurde unter besonderen Gesichtspunkten angesehen. Auf die unteren
Angestellten wurden die Grundsätze des Privatrechts angewandt. Bei der fortschreiten-
den Vermehrung der Beamten mit dem Wachsen der Aufgaben in Staat und Ge-
meinde wurde im 19. Jahrhundert auch in den Hansestädten allmählich die Stellung
der Beamten als staatlicher Organe besonders ausgestaltet. Der Staat gab ihnen eine
Lebensstellung; er übernahm die Fürsorge für sie und ihre Hinterbliebenen. Der
Vorgang des Reichsbeamtengesetzes, die Notwendigkeit, sich Zufluß von außen zu
sichern und ein Abwandern tüchtiger Kräfte zu verhindern, nötigten auch die Hanse-
städte, ihr Beamtenrecht dem des Reichs und der anderen deutschen Staaten möglichst
anzupassen.
I. In Bremen trat eine besondere Fürsorge des Staates für seine Ange-
stellten in der Gründung der Pensions= und Witwenanstalt für bürgerliche Beamte,
einer Versicherungskasse mit Beitrittszwang, zutage (V. v. 4. April 1819) 2). Das Ge-
setz vom 3. Juli 1855 gab für die Pensionen der Beamten die Grundlage der Ver-
sicherung auf, indem es ihnen einen Ruhegehaltsanspruch gegen den Staat gewährte;
die Witwenanstalt zur Versorgung der Hinterbliebenen blieb bestehen, bis das G. v.
10. Juli 1892 auch die Witwen= und Waisenfürsorge dem Staat allein auferlegte.
Als die Einführung des Strafgesetzbuches Anlaß zur Neuordnung des Disziplinar-
rechts gab, führten die Verhandlungen darüber hinaus zu einer allgemeinen Regelung
der Rechtsverhältnisse der Beamten nach dem Vorgange des Reichsbeamtengesetzes
von 1873 in dem ersten brem. Beamtengesetz vom 21. Dezember 1874. An seine Stelle
trat später das heute geltende Gesetz betr. die Rechtsverhältnisse
der Beamten vom 1l. Februar 1894 (S. 69) 2). Die Hinterbliebenenfürsorge
ist durch G. betr. die Pensionen für Witwen und Waisen der Beamten v. 10. Juli
1892 (S. 193), abgeändert durch G. v. 23. März 1909 (S. 87), geregelt.
2. In Lübeck wurde durch G. v. 6. Juni 1874 den Beamten Ruhegehalts-
berechtigung gewährt. Eine allgemeine Regelung ihrer Rechtsverhältnisse erfolgte
durch G. v. 24. Sept. 1879, das sich an das Reichs= und speziell an das bremische
Beamtengesetz von 1874 anschloß ), von seinen Vorbildern aber durch Nichteinbeziehung
der schon vorher geordneten Pensionierung abwich. Das Gesetz vom 15. Juni 1885
schuf eine Fürsorge für die Witwen und Waisen der Beamten nach dem Vorgange
anderer deutscher Staaten. Nach wesentlichen Aenderungen durch Nachtrag vom
19. Dezember 1898, der vor allem die „pensionsberechtigten Hilfsarbeiter“ als Be-
1) Ueber die Entwicklung des Beamtenrechtes in Hamburg: v. Melle, Hamb. St#R., S.
239; Seelig, Hamb. Bürgerschaft, S. 202 f.; auch Nöldeke, Hamb. Landesprivatrecht,
S. 249 f. über die heutige Nachwirkung der privatrechtlichen Anschauungen.
2) Der Brem. Verf.-Entw. v. 1814 handelt noch in einem Abschnitt über die „pekuniäre
Benutzung einiger Stellen zum Besten des Staates“, wonach einige „Bedienungen“, die es
abwerfen können“, dem Staat nach der Anstellung eine Abgabe entrichten sollten. Hiezu meinte der
Senat, daß es „dem Geiste der Zeit nicht ganz angemessen“ sein dürfte, die „Officianten dem Staat
etwas erlegen zu lassen“ und schlug Verwendung der Zahlungen für einen „wohltätigen Zweck“
vor. Die Bürgerschaft trat ihm bei (Verh. 1818, S. 237 f.). ç
3) Anlaß zu der Neupublikation gaben die durch Neuordnung der Pensionsberechtigung im
Einklang zu der reichsgesetzlichen Alters= und Invalidenversicherung unter Aufnahme des Begriffes
der jahrgeldberechtigten Angestellten beschlossenen Aenderungen (Verh. 1893, S. 249, 731).
4) Vgl. Bericht in Lüb. Verh. 1879 D. u. 13 a.