Full text: Psychologie der Massen.

Anschauungen und Überzeugungen der Massen. 105 
Beifalls der Massen und trotz Zerstörungsmitteln, wie sie die 
Inquisition nicht unerbittlicher anwandte, unterlegen. Die einzig 
wahren Tyrannen, welche die Menschheit je gekannt, waren 
stets die Schatten der Toten oder ihre eigenen Illusionen: 
Niemals war die philosophische Absurdität, die den Ge- 
samtüberzeugungen sehr häufig anhaftet, ein Hindernis für 
deren Triumph. Ja, dieser Triumph scheint sogar nur dann 
möglich, wenn sie irgend welchen geheimnisvollen Unsinn ent- 
halten. Die offenbare Schwäche der sozialistischen Dogmen 
der Gegenwart wird also deren Triumph über die Massenseele 
nicht verhindern. Ihre wahre Minderwertigkeit im Verhältnis 
zu jedem religiösen Glauben besteht bloß darin: das Glücks- 
ideal, welches der letztere in Aussicht stellte, konnte nur in 
einem zukünftigen Leben verwirklicht werden, und so konnte 
niemand diese Verwirklichung bestreiten. Da das sozialistische 
Glücksideal auf Erden realisiert werden soll, so wird gleich 
bei den ersten Verwirklichungsversuchen die Leerheit der Ver- 
heißungen an den Tag treten, und : damit wird der neue Glaube 
alles Prestige verlieren. Seine Macht wird also nur bis zu 
dem Tage wachsen, wo nach seinem Triumphe die praktische 
Verwirklichung einsetzen wird. Und aus diesem Grunde wird 
die neue Religion, welche, wie alle früheren, zunächst eine 
zerstörerische Rolle spielt, nicht wie diese in der Folge schöpfe- 
risch zu wirken vermögen. 
S$S 2. Die wechselnden Anschauungen der Massen. 
Über den festen Überzeugungen, deren Macht wir dartaten, 
liegt eine Schichte von Anschauungen, Ideen, Gedanken, die 
beständig kommen und gehen. Manche dauern nur einen Tag, 
und die bedeutendsten derselben überdauern nicht das Leben 
einer Generation. Wir bemerkten bereits, daß die Verände- 
rungen innerhalb dieser Anschauungen zuweilen mehr schein- 
bar als wirklich sind und daß sie stets den Stempel der Rassen- 
eigenschaften tragen. Indem wir beispielsweise die politischen 
Institutionen unseres Landes betrachten, sehen wir, daß die
	        
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