Klassifikation und Einteilung der Massen. 121
„Heute liegt die Auswahl der Geschworenen tatsächlich
in den Händen der Stadträte, die sich von politischen und Wahl-
verhältnissen leiten lassen Die Majorität der Gewählten
besteht aus Kaufleuten von geringerer Bedeutung als früher
und aus bestimmten Verwaltungsbeamten Da die Anschah-
ungen sich in der Richterrolle mit allen Berufsarten vermengen,
viele den Eifer des Neophyten bezeigen und die mit dem besten
Willen Begabten sich in den einfachsten Ständen finden, so
hat sich der Geist der Jury nicht geändert, ihre Verdikte
sind sich gleich geblieben.“
Aus der hier angeführten Stelle wollen wir die ganz wich-
tiven Folgerungen, nicht aber die recht schwachen Erklärungen
behalten. Wir dürfen über diese Schwäche nicht allzu sehr
erstaunt sein, denn die Psychologie der Massen, also auch die
der Geschworenen scheint meist den Anwälten wie den Rich-
tern unbekannt gewesen zu sein. Den Beweis ‘dafür liefert mir
die von dem eben genannten Autor angeführte Tatsache, daß
einer der berühmtesten Advokaten am Assisengerichtshof,
Lachaud, systematisch sich seines Rechtes der Ablehnung aller
gebildeten Mitglieder der Jury bediente. Die Erfahrung aber,
und nur sie, zeigte ihm schließlich die Zwecklosigkeit dieser
Ablehnungen. Zum Beleg dafür dient die Tatsache, daß gegen-
wärtig das Justizministerium und die Advokaten, in Paris wenig-
stens, vollständig darauf verzichtet haben; und dennoch haben
sich, wie des Glajeux bemerkt, ‘die Verdikte nicht zeändert;
„sie sind weder besser noch schlechter‘.
Wie alle Massen, werden die Geschworenen sehr stark
durch Gefühle, nur sehr schwach durch logische Argumente,
beeinflußt. „Sie widerstehen nicht‘‘, schreibt ein Advokat, „dem
Anblick einer stillenden Frau oder einem Aufmarsch von
Waisen.‘“ „Eine Frau braucht nur anmutig zu sein,‘ sagt des
Glajeux, „so gewinnt sie das Wohlwollen der Jury.“
ÜUnerbittlich gegenüber Verbrechen, von denen sie selbst
betroffen werden könnten und die 'eben für die Gesellschaft
die schrecklichsten sind, haben sie viel Nachsicht gegenüber