140 Drittes Buch.
Tendenz haben, daß eine Masse allgemeinen Sätzen, die mit
eindrucksvollen Worten vorgebracht werden, zustimmt, wie-
wohl sie niemals bewahrheitet und vielleicht auch einer Veri-
fikation gar nicht fähig sind.“
Die Bedeutung der „Schlagworte‘‘, wie sie in dem obigen
Zitat zutage tritt, kann nicht überschätzt werden. Schon öfter
haben wir die besondere Macht der Worte und Formeln be-
tont. Sie müssen so gewählt werden, daß sie sehr lebhafte
Bilder hervorrufen. Folgende, einer Rede eines unserer Ver-
sammlungsleiter entnommene, Phrase gibt uns eine schöne
Probe davon:
„An dem Tage, da dasselbe Schiff den unlauteren Poli-
tiker und (den mörderischen Anarchisten nach den Fieber-
ländern der Verbannung bringen wird, werden sie miteinander
sich besprechen können und werden einander gegenseitig als
die beiden komplementären Seiten derselben Gesellschafts-
ordnung erscheinen.“
Das dadurch hervorgerufene Bild ist recht anschaulich,
und alle Gegner des Redners fühlen sich durch dasselbe be-
droht. Sie sehen mit einem Male die Fieberländer, das Fahr-
zeug, das sie hinführen kann; denn gehören sie nicht vielleicht
zur wenig abgegrenzten Klasse der bedrohten Politiker? Sie
empfinden demnach die gleiche dumpfe Angst, welche die
Konventmitglieder haben empfinden müssen, welche durch die
vagen Reden Robespierres mehr oder weniger mit der Guillotine
bedroht wurden und die ihm unter dem Drucke dieser Furcht
stets nachgaben.
Die Führer haben alle ein Interesse, in die unwahrschein-
lichsten Übertreibungen zu verfallen. Der Redner, von dem ich
soeben eine Phrase zitierte, konnte olıne großen Protest be-
haupten, die Bankiers und die Priester hätten Bombenwerfer in
ihrem Solde und die Verwaltungsräte der großen Finanzgesell-
schaften verdienten dieselbe Strafe wie die Anarchisten. Auf die
Massen wirken solche Sätze immer. Nie ist die Behauptung zu
stark, die Deklamation zu drohend. Nichts erschüttert die Zu-