150 Drittes Buch.
die Impulse und Gewalttätigkeiten auf. Nichts ist bei ihnen
stabil. Es sind Barbaren.
Die Zeit tut ihr Werk. Die Gleichheit des Milieu, die
wiederholten Kreuzungen, das Bedürfnis eines Gemeinschafts-
lebens üben ihren Einfluß aus. Der Haufen verschiedener Ele-
mente beginnt zu verschmelzen und eine Rasse, d. h. ein Aggre-
gat mit gemeinsamen Eigenschaften und Gefühlen, die durch
Vererbung sich immer mehr befestigen, zu bilden. Die Masse ist
ein Volk geworden, und dieses Volk kann die Barbarei verlassen.
Gänzlich wird dies aber erst dann geschehen, wenn es nach
langen Anstrengungen, unaufhörlich wiederholten Kämpfen und
unzähligen Ansätzen ein Ideal erworben hat. Welcher Art dieses
auch sei, ob der Kultus Roms, die Macht Athens oder der
Triumph Allahs, es wird imstande sein, allen Mitgliedern der
sich bildenden Rasse eine vollkommene Einheit des Fühlens
und Denkens zu verleihen.
Nun kann eine neue Kultur mit ihren Institutionen, Über-
zeugungen und Künsten erstehen. Von ihrem Traume fort-
gerissen, wird die Rasse nach und nach alles gewinnen, was
Glanz, Kraft, Größe verleiht. Manchmal wird sie zweifellos eine
Masse sein, aber hinter den wandelbaren und wechselnden
Eigenschaften der Masse wird sich das feste Substrat, .die
Rassenseele finden, welche die Schwingungsweite eines Volkes
eng begrenzt und den Zufall regelt.
Nach Vollzug ihrer schöpferischen Wirkung aber beginnt
die Zeit jenes Zerstörungswerk, dem weder Götter noch Men-
schen entgehen. Ist die Kultur auf einem gewissen Niveau
der Macht und Kompliziertheit angelangt, so hört sie zu
wachsen auf und ist dann gleich zum baldigen Niedergange ver-
urteilt. Die Stunde des Alterns wird ihr schlagen.
Diese unentrinnbare Stunde ist stets durch die Schwä-
chung des Ideals gekennzeichnet, welches die Rassenseele er-
hob. In dem Maße, als dieses Ideal verbleicht, beginnen alle
religiösen, politischen und sozialen Gebilde, die durch das-
selbe inspiriert wurden, zu wanken.