Full text: Psychologie der Massen.

Die Ära der Massen. 3 
sodann durch die allmähliche Assoziation der Individuen zur 
Verwirklichung der theoretischen Anschauungen. Die Asso- 
ziation ist es, wodurch die Massen sich, wenn auch nicht sehr 
richtige, so doch wenigstens sehr bestimmte Ideen von ihren 
Interessen gebildet und das Bewußtsein ihrer Kraft erlangt 
haben. Sie gründen Syndikate, vor welchen der Reihe nach alle 
Machtfaktoren kapitulieren, Arbeitsbörsen, die allen Wirtschafts- 
gesetzen zum Trotz die Bedingungen der Arbeit und des Lohnes 
zu regeln suchen. Sie entsenden in die Parlamente Abgeordnete, 
denen alle Initiative, alle Unabhängigkeit fehlt und die oft nur die 
Wortführer der Ausschüsse sind, von denen sie gewählt wurden. 
Heute werden die Ansprüche der Massen immer deutlicher 
und laufen auf nichts Geringeres hinaus, als auf den gänzlichen 
Umsturz der gegenwärtigen Gesellschaft, um sie jenem primi- 
tiven Kommunismus zuzuführen, der vor dem Beginn der Zivi- 
lisation der normale Zustand aller menschlichen Gruppen war. 
Begrenzung der Arbeitszeit, Expropriation der Minen, Eisen- 
bahnen, Fabriken und des Bodens, gleiche Verteilung aller 
Produkte, Ausmerzung aller oberen Klassen zugunsten der 
Volksklassen usw. — das sind diese Ansprüche. 
Die Massen sind für das Räsonnieren wenig, desto mehr 
aber für das Handeln geeignet. Durch ihre Organisation ist 
ihre Kraft ins Ungeheure gestiegen. Die Dogmen, die wir 
auftauchen sehen, werden bald die Macht der alten Dogmen 
besitzen, d. h. die tyrannische und herrische Kraft, welche 
sich aller Diskussion entzieht. Das göttliche Recht der Massen 
wird das göttliche Recht der Könige ersetzen. 
Die Lieblingsschriftsteller unserer jetzigen Bourgeoisie, 
jene, welche am besten deren ein wenig beschränkte Ideen, 
deren etwas kurzsichtige Ansichten, deren etwas summarischen 
Skeptizismus und oft exzessiven Egoismus darstellen, geraten 
völlig vor der neuen Macht, die sie heranwachsen sehen, in 
Verwirrung und richten, um die Verwirrung der Geister zu 
bekämpfen, einen verzweifelten Appell an die sittlichen Kräfte 
der Kirche, die sie einst so gering schätzten. Sie sprechen vom 
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