28 Erstes Buch.
wohnten der berühmten Kavallerieattacke bei Sedan bei, und
doch weiß man angesichts der widersprechendsten Aussagen
nicht, von wen sie kommandiert wurde. Der englische General
Wolseley hat in einem neuen Buche den Beweis erbracht, daß
man bis jetzt betrefis der wichtigsten Ereignisse der Schlacht
bei Waterloo, die doch Hunderte von Zeugen beglaubigt hatten,
die größten Irrtümer begangen hatt).
Tatsachen, solcher Art zeigen uns, welchen Wert die
Zeugenschaft der Massen hat. Die Lehrbücher der Logik zählen
die Übereinstimmung zahlreicher Zeugen zur Kategorie der
sichersten Beweise, die man zur Erhärtung einer Tatsache er-
bringen kann. Aber die Psychologie der Massen lehrt die
Verbesserungsbedürftigkeit jener Lehrbücher bezüglich dieses
Punktes. Die zweifelhaftesten Ereignisse sind sicherlich die-
jenigen, welche von der größten Anzahl von Personen beob-
achtet wurden. Erklären, ein Gegenstand sei von Tausenden
von Zeugen zugleich konstatiert worden, heißt zumeist erklären,
daß das wirkliche Ereignis von dem empfangenen Berichte
erheblich abweicht.
Es folgt aus dem Vorstehenden klipp und klar, daß die
Geschichtswerke als reine Phantasiegebilde zu betrachten sind.
Es stehen darin phantastische Berichte schlecht beobachteter
Ereignisse nebst auf gut Glück vorgebrachten Erklärungen.
t) Wissen wir auch nur von einer einzigen Schlacht, wie sie sich
wirklich abgespielt hat? Ich zweifle sehr. Wir kennen Sieger und Be-
siegte, aber wohl nichts weiter. Was d’Harcourt über die Schlacht bei
Solferino, die er mitgemacht und gesehen hat, berichtet, gilt für alle
Schlachten: „Die Generäle (natürlich durch Hunderte von Mitteilungen
unterrichtet) geben ihre ‘offiziellen Berichte ab; die mit der Ver-
breitung der Ordres betrauten Offiziere modifizieren diese Dokumente
und redigieren den definitiven Plan; der Generalstabschef kritisiert und
erneuert ihn. Man bringt ihn zum Feldmarschall, welcher ‚Ganz ver-
fehlt!“ ausruft und eine neue Redaktion vornimmt. Von dem alten Be-
richt bleibt fast nichts stehen.“ d’Harcourt erzählt dies als Beweis
der Unmöglichkeit, betreifs des greifbarsten, am besten beobachteten
Ereignisses die Wahrheit zu konstatieren.