30 Erstes Buch.
künftigen Forscher vielleicht an der Existenz des Helden
zweifeln, wie sie vielfach die Existenz Buddhas bezweifeln, und
werden dann in ihm nur einen Sonnenmythus oder eine Ent-
wicklung der Herkulessage erblicken. Zweifellos werden sie
sich ob dieser Ungewißheit leicht trösten, denn da sie eine
bessere psychologische Erkenntnis der Massen als die von
heutzutage haben werden, so werden sie wissen, daß die Ge-
schichte nur Mythen zu verewigen vermag.
$ 3. Überschwang und Simplismus der Massengefühle.
Alle von der Masse geäußerten Gefühle, gute und schlechte,
haben zwei Eigenschaften: sie sind sehr einfach und sehr über-
schwenglich. In dieser wie in so vielen anderen Beziehungen
nähert sich das der Masse angehörende Individuum den primi-
tiven Wesen. Der Gefühlsnuancen nicht fähig, sieht es die
Dinge nur im Groben und kennt nicht die Übergänge. In der
Masse wird der Überschwang der Gefühle noch dadurch ver-
stärkt, daß, da ein zur Äußerung gelangtes Gefühl sich durch
Suggestion und Ansteckung sehr rasch ausbreitet, die sicht-
liche Anerkennung, die es erfährt, seine Intensität erheblich
steigert.
Die Einfachheit und Überschwenglichkeit der Gefühle der
Massen sind der Grund dafür, daß diese weder Zweifel noch
Ungewißheit kennen. Sie gehen, gleich den Frommen, sofort
bis zum Äußersten. Der ausgesprochene Verdacht wird sogleich
zu unumstößlicher Gewißheit. Ein Keim von AÄntipathie oder
Mißbilligung, der bei dem isolierten Individuum nicht zur Reife
käme, wird beim Massenglied sofort zu wildem Hasse.
Die Heftigkeit der Massengefühle wird, besonders bei den
heterogenen Massen, auch durch das Fehlen jeder Verantwort-
lichkeit gesteigert. Die Sicherheit der Straflosigkeit, die mit
der Größe der Masse zunimmt, sowie das Bewußtsein einer
durch die Menge bedingten beträchtlichen Momentangewalt
ermöglichen der Gesamtheit Gefühle und Handlungen, die für