34 Erstes Buch.
leicht annehmen als betätigen, sobald man sie ihnen einflößt.
Die Massen respektieren willig die Kraft und werden durch
Güte, die für sie nur eine Art von Schwäche bedeutet, nur
mäßig beeinflußt. Niemals galten ihre Sympathien den gütigen
Herren, sondern den Tyrannen, von denen sie kraitvoli zer-
treten wurden; ihnen haben sie allezeit die größten Statuen
errichtet. Wenn sie den gestürzten Despoten gern mit Füßen
treten, so geschieht das deshalb, weil dieser nach Einbüßung
seiner Macht in die Kategorie der Schwachen eintritt, die man
verachtet, weil man sie nicht fürchtet. Der Typus des von
den Massen verehrten Helden wird stets den Cäsarencharakter
aufweisen. Sein Helmbusch verführt sie, seine Autorität impo-
niert ihnen, und sein Schwert schüchtert sie ein.
Stets zur Auflehnung gegen eine schwache Autorität bereit,
beugt sich die Masse knechtisch vor einer starken Autorität.
Mat die Kraft der Autorität etwas Schwankendes, so geht die,
stets ihren extremen Gefühlen folgende Masse abwechselnd
von der Anarchie zur Sklaverei, von der Sklaverei zur An-
archie über.
Übrigens würde man die Psychologie der Massen sehr
mißverstehen, wollte man an die Vorherrschaft ihrer revolu-
tionären Triebe glauben. Nur ihre Gewalttaten sind es, die
uns darüber täuschen. Ihr Drang zu Revolten und Zerstörungs-
taten hält niemals lange an. Die Massen werden zu sehr vom
Unbewußten geleitet und sind demnach dem Einfluß uralter
Vererbung zu sehr ausgesetzt, als daß sie nicht äußerst kon-
servativ sein müßten. Sich selbst überlassen, werden sie ihrer
Zügellosigkeit bald müde und steuern instinktiv der Knecht-
schaft zu. Die stolzesten und schroffsten unter den Jakobinern
waren es, die Bonaparte, als er die Freiheiten unterdrückte
und seine eiserne Hand schwer fühlen ließ, auf das entschie-
denste zustimmten.
Die Geschichte, insbesondere die der Revolutionen, ist
schwer zu verstehen, wenn man sich über die im Grunde kon-
servativen Instinkte der Massen nicht im klaren ist. Sie wollen