42 Erstes Buch.
Die Ideen brauchen lange Zeit, um in der Massenseele
Fuß zu fassen, aber ebenso lange währt es, bis sie aus dieser
schwinden. Die Massen sind daher hinsichtlich der Ideen stets
um’ mehrere Generationen hinter der Wissenschaft und Philo-
sophie zurück. Alle Staatsmänner wissen heute wohl, wie
viel Irrtum in den von mir angeführten Ideen steckt; da aber
deren Einfluß noch sehr groß ist, so sind sie genötigt, nach
Grundsätzen zu regieren, an deren Wahrheit sie nicht mehr
glauben.
$S 2. Die Schlüsse der Massen.
Daß die Massen Folgerungen nicht zugänglich seien, kann
man eigentlich nicht sagen. Aber die von ihnen verwendeten
Argumente und jene, die auf sie zu wirken vermögen, sind in
logischer Beziehung so untergeordneter Art, daß man sie nur
per analogiam als Schlüsse qualifizieren darf.
Wie die höheren, so beruhen auch die einfacheren Schluß-
folgerungen der Massen auf Assoziationen, aber die von den
Massen assoziierten Gedanken lassen kein anderes Band als
das der Analogie oder der Sukzession erkennen. Sie ver-
ketten sich wie jene des Eskimo, der aus Erfahrung weiß,
daß das Eis, ein durchsichtiger Körper, im Munde schmilzt,
und daraus schließt, das Glas, ebenfalls ein durchsichtiger
Gegenstand, müsse auch im Munde schmelzen; oder wie jene
des Wilden, der sich einbildet, wenn er das Herz eines tapferen
Feindes verzehre, erwerbe er dessen Tapferkeit; oder auch
wie jene des Arbeiters, der von seinem Chef ausgebeutet
wurde und nun ohne weiteres schließt, alle Unternehmer seien
Ausbeuter.
Assoziationen zwischen ganz ähnlichen Dingen mit nur
oberflächlichen Beziehungen und eilfertige Verallgemeinerung
von Einzelfällen, das sind die Merkmale des Massen-Denkens.
Schlußfolgerungen solcher Art sind es, was ihnen durch jene
dargeboten wird, die sie zu behandeln wissen; es sind auch
die einzigen, die auf sie Einfluß haben können. Eine logische