94 I. Abschnitt. Das Verkehrswesen im allgemeinen.
des öffentlichen Verkehrsbetriebs einig. In der Beurteilung der hiermit
verbundenen Zustände sind aber beide stets auseinander gegangen. Die
einen fürchten politischen Mihbrauch dieser Macht, insbesondere die
Ausnutzung der unmitelbaren Abhängigkeit des Beamten- und Arbeiter-
heeres und der mittelbaren Abhängigkeit vieler anderer Personen zur
Wahlbecinflussung; die anderen sehen in der Verstärkung des Einflusses
der Regierung einen wirksamen Damm gegen Bestrebungen, die dem
einheitlichen Gesüge, der Wohlfahrt und dem Bestande des Staates ge-
führlich sind. Welcher Seite sich die einzelnen zuneigen, hängt ganz von
ihrer Stellung gegenüber der Regierung ab. Der Volkswirt wird im
allgemeinen die kräftige Abwehr von Bestrebungen der oben erwähnten
Art als einen Gewinn anschen müssen, da die Gesunderhaltung des Staats-
wesens eine wichtige Grundlage wirtschaftlichen Gedeihens ist. Ubrigens
Sollte man nicht vergessen, dall auch grobe Verkehrsaktiengesellschaften
cinen bedentenden Einfluß haben, dessen Ausnutzung zu Wahlzwecken
nicht unbedingt ausgeschlossen ist.
Dem öffentlichen Verkehrsbetriebe wird als Nachteil nachgesagt,
dal #er die Schuldenlast des Staates erhöhe, was beim Privatbetriebe
vermieden werde. Damit ist allerdings zu rechnen, da sich im allge-
meinen nicht erwarten läht, dabß die öffentliche Gewalt lediglich aus
ihren laufenden Einnahmen die groben Verkehrsanlagen schaffen kann.
Aber die Zuhilfenahme des Staatskredits für derartige Anlagen kann
an sich nicht bekümpft werden, wenn nicht dadurch eine Mibhwirtschafk-t
befördert wird. Denn die Verkebrsanlagen sind werbende Anlagen und
sind dem gesamten Wirtschaftsleben förderlich. Bei gut geordnetem Staats-
wesen werden durch die für Verkehrsanlagen aufgenommenen Anleihen
gute Anlagewerte geschaffen, und darin liegt eine nützliche Wirkung
auch für die Gesundheit des Geschäftslebens im allgemeinen. Ent-
sprechendes gilt von den Anleihen der Selbstverwaltungskörper für
Verkehrsanlagen.
Von dem öffentlichen Betriebe der Verkehrsanstalten wird vor allem
ein Versink en in engherziges Formenwesen und in starre und kleinliche
Betriebsführung befürchtet. Daran denkt man, wenn man dem öffent-
lichen Verkehrsbetriche „Bureaukratismus“ nachsagt. Wenn und wo
solche Befürchtungen zutreffen, würden die Nachteile groß sein. Es
würde der Sporn fehlen, die tüchtigsten Kräste heranzuziehen; der
lechnische und wirtschaftliche Fortschritt würde zu wünschen übrig
lassen. Die üffentliche Verwaltung würde sich den wechselnden Be-
dürfnissen zu wenig anpassen, zu schablonenmähig verfahren, zu schwer-
fällig arbeiten und bald der öffentlichen Meinung nicht genügend Rech-
nung tragen, bald unberechtigten Ansprüchen zu sehr entgegenkommen.
Ohne allen Zweifel liegt hier die Iauptgefahr für den öffentlichen Be-
trieb vor. Zwar sind auch die groben Aktiengesellschaften oft ein recht