Full text: Volkswirtschaftslehre VII. Band: Das Verkehrswesen. (7)

134 I. Abschnitt. Das Verkehrswesen im allgemeinen. 
Im Personenverkehr macht sich die Zahlungsfähigkeit auch in der 
Benutzung der verschiedenen Wagenklassen fühlbar. Die ungleichen 
Preise beruhen hier, wie schon gezeigt, in der Hauptsache auf der 
verschiedenen Ausstattung und Ausnutzungsfähigkeit der Wagen. In 
der verhältnismäßig niedrigen Preisbemessung für die 3. und 1. Eisen- 
bahnwagenklasse tritt aber auch das Streben zutage, den wirtschaftlich 
schwächeren Kreisen eine ihrer Zahlungskraft entsprechende Verkehrs- 
möglichkeit zu bieten. Darüber hinaus hat man mit Rücksicht auf die 
Zahlungsfähigkeit bestimmter Kreise verschiedenen Personengruppen die 
gleichen oder gleichartigen Leistungen zu verschiedenen Preisen geboten. 
Dahin gehören vor allem die Abstufungen nach dem Stande, wie sie 
bei Arbeitern, Auswanderern, Heerespersonen usw. vorkommen. Zur Er- 
klärung dieser Abstufungen kann eine Verschiedenheit der Selbstkosten 
der Verkehrsleistungen nicht herangezogen werden. Ob z. B. der Reisende 
der dritten Klasse ein Arbeiter oder ein Auswanderer oder ein Soldat 
oder irgend ein anderer Mensch ist, das macht für die Selbstkosten der 
Eisenbahn nicht den mindesten Unterschied. Man kann die in Rede 
stechenden Abstufungen auch nicht damit erklären, dabß die Beförderung 
für den Arbeiter, den Auswanderer, den Soldaten weniger Wert habe 
als für andere Menschen. Das kann so sein und kann auch anders 
sein, je nach den Umständen und Verbältnissen, die in Frage kommen, 
und denen die Verwaltung der Verkehrsanstalt ja überhaupt im einzelnen 
Falle nie nachgehen kann. Hier bleibt also kein anderer Erklärungs- 
grund als der, daß man annimmt, die Arbeiter und sonstigen durch 
niedrigere Preise begünstigten Klassen seien nicht in der Lage, den 
regelmäßigen Preis zu tragen, mühten also möglicherweise ganz auf die 
Beförderung verzichten. Man setzt ihnen deshalb den Preis so weit 
herab, daß ihnen die Benutzung der Verkehrsmittel möglich wird. Der 
Anstoß zu solchem Entgegenkommen kann sehr verschieden sein. Man 
kann und muhß oft bei öffentlicher Verwaltung des Verkehrswesens 
aus wirtschaftlichen und gesellschaftlichen, überhaupt aus allgemeinen 
Rücksichten den weniger leistungsfähigen Klassen den Zugang zur Be- 
mutzung der Fortschritte im Verkehrswesen eröffnen wollen, um zu verhüten, 
daß gerade diese Kreise von den heutigen Verkehrsmitteln fern bleiben 
müssen. In anderen Fällen hofft man — und das wird bei nicht öffentlichem 
Verkehrsbetriebe die Regel sein —, durch die billigere Preisbemessung eine 
Verstärkung des Verkehrs und damit eine bessere Ausnutzung der Fahr- 
zeuge und eine Verminderung der verbältnismähigen Selbstkosten zu 
erzielen. Beide Gesichtspunkte können ihre Berechtigung haben. Unbegrenzt 
läht sich diese Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Personen 
natürlich nicht durchführen, da die Verkehrsverwaltung nicht über Unter- 
lagen zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit verfügt, und da bei solchem 
Vorgehen die Verwaltungsarbeit wesentlich vergröbhert werden würde.
	        
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