2. Kapitel. Entwickelungsgang. 181
Forstinspektor KARI. v. DRAIS erfundene Laufzweirad die Entwickelung
des Fahrrades anknüpft. Das Fahrzeug war höchst unvollkommen und
wurde lediglich durch Abstoben des Fahrers vom Boden in Bewegung
gesetzt. Eine besondere Antriebsvorrichtung fehlte. Für eine solche
Vorrichtung lagen ältere Vorbilder vor, auf die man denn auch zurück-
griff. Die schon im 18. Jahrh. versuchte Kurbelvorrichtung war es, die
dem Zweirade zur Bedeutung verhelfen sollte. Der Instrumentenmacher
Phrl. Mokrrz Flscikk in Schweinfurt soll schon im Anfange der
50 Jahre des 19. Jahrhunderts ein Zweirad mit einer Tretkurbelvorrichtung
versechen haben. Die neuere Entwickelung knüpft aber nicht an ihn an,
sondern an den Mechaniker MICHAUN, der mit seinem Arbeiter I. ALLENIAND
ein DRAISches Laufzweirad mit Tretkurbeln versah und dies Fahrzeug
auf der Pariser Ausstellung 1867 zeigte. Sein Fahrzeug ist der Aus-
gangspunkt für die Entwickelung des Hochrads. Das MichALUNSche
„Veloziped“ batte ein kleineres Hinterrad, über dem sich der Sitz be-
fand, und ein höheres Vorderrad, dessen Achse an jeder Seite in eine
Kurbel mit Fustritten (Pedalen) aushef. Vorderradachse und Tretkurbel-
vorrichtung waren fest miteinander verbunden. Durch Vergröberung des
Vorderrades und Verkleinerung des Hinterrades und durch die Verlegung
des Sitzes über das Vorderrad ist die Hochradform ausgebildet. Sie
wurde leistungsfähiger dadurch gemacht, daßß — zuerst 1867 von dem
Engländer MADSON — die bisherigen schweren Speichen durch Draht-
speichen ersetzt, die Holzfelgen zunächst durch Eisenfelgen verdrängt,
1871 überhaupt Felgen und Gestell aus leichten Stahlrohren her-
gestellt und dalb5 um die Felgen Gummivollreifen gelegt wurden. Die
80 entstandene Hochradform bebauptete bis in die 90er Jabre binein
das Feld. Das Hochrad hatte den Vorzug grober Schnelligkeit, da
bei dem großen Umfange des Vorderrades mit jeder Kurbelumdrehung
ein gutes Stück Weg bewältigt wurde; auch die Lenkbarkeit war gut.
Aber zur allgemeinen Verbreitung eignete sich das Hochrad nicht.
Es erforderte Gewandtheit und Gelenkigkeit und zeigte eine großbe Ge-
fahr des Sturzes, besonders beim Bergabfahren.
Die Gefahr des Sturzes über das Vorderrad weg liel sich nur durch
Verminderung des Radumfanges abschwächen, und es wurde eifrig daran
gearbeitet, dieses Ziel zu erreichen, ohne den groben Vorteil des Hoch--
rades, die Schnelligkeit aufzugeben. Nach mehrfachem Hin- und Her-
tasten kam Mitte der 80er Jahre die Lösung in Gestalt des Niederrades
(Sicherheitsrads, Kettenrover, Bicyclette), aus dem die neuen Niederrad-
formen abgeleitet sind. Die Tretkurbelachse war von dem erniederten
Vorderrade ganz abgetrennt und vor dem Hmterrade an dem Radgestell
angebracht, das Vorder- und Hinterrad mit einander verband. Von einem
Zahnkranz an der rechten Seite der Tretkurbelachse aus wurde durch
eine endlose Kette die Bewegung übertragen auf einen viel kleineren