Full text: Volkswirtschaftslehre VII. Band: Das Verkehrswesen. (7)

278 III. Absclnitt. Der Eiseubahnverkehr. 
hingewiesen werden. Festzuhalten ist aber, daß alle diese Gesichtspunkte. 
die für das Eingreifen der öffentlichen Gewalt sprechen, beim Eisenbahn- 
wesen in besonderer Schärfe hervortreten. Denn hier handelt es sich 
um ein Kulturwerkzeug von 8So hervorragender Bedeutung, dab ihm die 
öffentliche Gewalt, insbesondere der Staat, nicht gleichgültig gegenüber- 
stehen konnte und kann. 
Zudem lag und liegt bier reichlich unmittelbarer Anlaß zum Ein- 
greifen der öffentlichen Gewalt vor. Das Eisenahnwesen stellte neue 
und schwierige Aufgaben mit grobem Kapitalbedarf auf. Sich diesen 
Aufgaben zu widmen, zeigte sich der Unternehmungsgeist schon früh in 
manchen Ländern nicht geneigt. In anderen Ländern setzte zwar der 
Unternehmungsgeist zunächst frisch ein, ließ aber später nach, und das 
um so mehr, je mehr die Hauptlinien, die besonderen Ertrag versprachen, 
ausgebaut waren. Sehr oft mußte und muh deshalb die öffentliche 
Gewalt mit besonderen Reizmitteln eingreifen. Baubeihilfen, niedrig ver- 
zinsliche Vorschüsse, Befreiung von Steuern, Landschenkungen, Be- 
schaffung des Grund und Bodens und Herstellung des Unterbaues, ganz 
besonders aber Ertragsgewährleistung wurden angewandt, um die Willig- 
keit der Erwerbsunternehmung und des Privatkapitals zu steigern. Bei 
den Haupteisenbahnlinien begann in Deutschland z. B. der Staat bereits 
1839 durch Ubernahme von Aktien einzugreifen, durch Zinsgewähr 1840, 
wobei aber als Gegenleistung bestimmte Anteile am Gewinn ausbedungen 
wurden. Mit Zuschüssen zu den Baukosten obne Rückzablungsver- 
Dflichtung begann Preußen schon 1863. Bei den Kleinbahnen vollends 
haben Staat, Provinzen, Kreise und Gemeinden mit den verschiedenen 
Formen der Beihilfe kräftig mithelfem müssen, um überhaupt eine leb- 
bafte Tätigkeit auf diesem Gebiete berbeizuführen. Gerade im Eisen- 
bahnwesen trat es auch besonders deutlich hervor, dab ohne das Ein- 
greifen der öffentlichen Gewalt das öffentliche Bedürfnis nicht genügend 
berücksichtigt wird. Es muh auf allseitige Verzweigung der Linien nuch 
cinem einheitlichen Plane hingewirkt werden derart, dah auch die 
Gegenden berücksichtigt werden, die zunächst noch keinen oder nur 
unzulänglichen Ertrag versprechen, weiter auf die Einführung gleicher 
Abmessungen der Fahrbahn und gleichartiger Betriebsmittel, auf Begrün- 
Gdung der Beförderungspflicht der Verkebrsanstalten, auf Regelung der 
Ersatzverbindlichkeit für den durch die Eisenbahnen herbeigeführten 
Schaden, auf Erzielung internationaler Abmachungen, auf genügend leichte 
und rasche Enteignung des nötigen Grund und Bodens und auf aus- 
reichenden polizeilichen Schutz. Dazu tritt die Notwendigkeit, das 
Eisenbahnwesen in bestimmter Weise mit den Bedürfnissen der Heeres- 
und Postverwaltung in Einklang zu bringen. 
Ohne das Eingreifen der öffentlichen Gewalt kann nicht auf alles 
das in der dem Gesamtbedürfnis entsprechenden Weise gerechnet werden.
	        
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