Full text: Volkswirtschaftslehre VII. Band: Das Verkehrswesen. (7)

280 III. Abschnitt. Der Eisenbahnverkehr. 
samten Betriebsausgaben überstiegen 1910: 2 Milliarden M. Das gibt eine 
Vorstellung von den gewaltigen einmaligen und laufenden Aufwendungen, 
die das Eisenbahnnetz und sein Betrieb erfordern. Wo derartige Kosten in 
Frage kommen, da erscheint es unwirtschaftlich, Wettbewerbsbahnen anzu- 
legen und die Verwaltung des Netzes auf verschiedene Vermögensinbaber 
zu verteilen, da wird andererseits auch das Entstehen von Wettbewerbs- 
linien erschwert, also das Vorrecht der bestehenden Bahn verstärkt. Wo 
aber im Eisenbahnwesen Wettbewerbslinien bestanden, da hat man sich 
verhältnismäßig früh durch Vereinigungen zu belfen gewust, die gerade 
im Eisenbahnwesen eine besondere Rolle spielen. 
Der Zug der großben Eisenbahnen zur Alleinherrschaft ist hiernach 
sehr scharf ausgeprägt. Das läht es in jedem Falle wünschenswert 
erscheinen, das Eisenbahnwesen in einer Hand zu vereinigen, soweit es 
sich zu einem großben Netze mit durchgehender Verkehrsmöglichkeit ent- 
wickelt hat. Nur für die Bahnen mit örtlich begrenzter Bedeutung ist 
eine Verteilung auf verschiedene Verwaltungen unbedenklich derart, dab 
für jedes örtlich begrenzte Gebiet je eine Verwaltung eingreift. Ein 
Nebeneinander mehrerer Verwaltungen für ein solches engeres Gebiet 
ist nicht ohne Nachteile; sie sind aber nicht von solcher Wuchbt, wie 
bei dem groben Eisenbahnnetze. 
Bei den Eisenbahnen läßt sich der Betrieb von der Fahrbahn nicht 
trennen. In der ersten Eisenbahnzeit ging man freilich davon aus, daß 
ein freier Wettbewerb verschiedener Frachtführer auf der Schienenbahn 
möglich sei. Die englischen Genehmigungen jener Zeit und das preu- 
Bische Eisenbahngesetz von 1838 zeigen das deutlich. Auch in Schriften 
wurde diese Anschauung vertreten. FnlEDRlHR Lusr#sah hierin, wie in 
vielen anderer Dingen klarer als seine Zeitgenossen. Der Verkehr auf 
den Eisenbahnen, schrieb er 1838 (Nationaltransportsystem, S. 42), wird 
nie dem ganzen Publikum freigegeben werden können, sondern wird 
oseiner Natur nach überall in einer Hand konzentriert bleiben müssen“. 
Die Erfahrung bat ihm sehr bald Recht gegeben. Um 8o auffälliger 
war es, dab später die Frage einer freien „Konkurrenz auf der Schiene“ 
in Deutschland wieder auftauchte und namentlich Anfang der 70 er Jabre 
sehr ernsthaft erörtert wurde. Der volkswirtschaftliche Kongreß, der 
deutsche Handelstag und verschiedene Schriftsteller traten dafür ein in 
der Annahme, dabß dadurch die dem Gesamtbedürfnisse günstigste Fracht- 
gestaltung herbeigeführt werden könne. Heute geht mit Recht die all- 
gemeine Auffassung dahin, daß die Stelle, die das Bahnwesen bei sich 
vereinigt, nicht nur die Fahrbahn herzustellen, sondern auch den Betrieb 
durchzuführen hat. 
Das Eisenbahnnetz für den großben durchgehenden Verkehr in eine 
Hand zu legen, gibt es zwei Wege. Entweder übernimmt der Staat das 
Netz in sein Eigentum und in seine Verwaltung, oder er überläßt es dem
	        
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