Full text: Volkswirtschaftslehre VII. Band: Das Verkehrswesen. (7)

4. Kapitel. Die Aufgaben d. öffentl. Gewalt gegenüber den Eisenbahnen. 281 
Eigentum und der Verwaltung einer großen Erwerbsgesellschaft. Der 
zweite Weg ist nirgends verwirklicht, und er hat auch das gegen sich, 
daß es gegenüber einer so großben und mächtigen Gesellschaft dem 
Staate sehr schwer werden mut, die öffentlichen Rücksichten genügend 
zu wahren. 
Eine Annäherung an diese zweite Art des Vorgehens liegt in den 
Ländern vor, in denen das Netz sich in den Händen weniger großer Gesell- 
schaften befindet, wie sie sich durch wiederholte Verschmelzungen entwickelt 
haben. Das ist u. a. in England und Frankreich der Fall. Hier herrscht 
das Privatbahnwesen in der Form, dab die Hauptmasse der Bahnen 
im Eigentum und im Betrieb einiger großen Gesellschaften ist. Auch 
die Vereinigten Staaten von Amerika sind diesem Zustande schon nahe 
gerückt. Selbstverständlich muß dabei der Staat das Aufsichtsrecht 
haben und sich bei Erteilung der Genehmigung den nötigen Einfluß 
sichern. Das wirkliche Maß des Einflusses der Staatsgewalt ist freilich 
sehr verschieden. Während in Frankreich die Regierung die Bewegungs- 
freiheit der Gesellschaften stark beeinträchtigt hat, ist in England und 
Nordamerika das staatliche Eingreifen nur wenig kräftig. Bei diesem 
Vorgehen, das sich als eine Form des Genehmigungswesens darstellt, 
ist es der Regierung oft genug schwer, das richtige Verhältnis zwischen 
dem Erwerbstriebe der Gesellschaften und dem ötfentlichen Bedürfnisse 
herzustellen. Auch die Möglichkeit einer unwirtschaftlichen Steigerung 
des Verwaltungsaufwandes ist dabei nicht ausgeschlossen. 
Daß hierbei die Inanspruchnahme des Staates für die Herstellung 
des Netzes groben Umfang erreichen kann, bat sich in Frankreich 
gezeigt, wo dann allerdings auch gerade die Mithilfe des Staates zur 
Ausbedingung bedeutender Gegenleistungen der Gesellschaften geführt 
hat. In England ist die Inanspruchnahme staatlicher Mittel nicht erfolgt. 
Das Genehmigungswesen kann auch in der Form erscheinen, dab 
der Staat die Privatbahnen in eigene Verwaltung nimmt. Das ist in 
Wirklichkeit eine Verlegenheitsmabregel. Sie kann nötig werden, wenn 
die Gesellschaften sich als unfähig erweisen und in geldliche Schwierig- 
keiten geraten. Der Staat hat dann Anlaß, sich die Verzinsung und 
Rückzahlung seiner Vorschüsse und Beihilfen durch eigene Verwaltung 
der Bahnen zu sichern. Diese Verwaltung kann für Rechnung der 
Aktionäre geführt werden. Der Staat ist in diesem Falle in einer 
schiefen Lage, weil er unter Umständen zwei einander entgegenstehende 
Interessen zu vertreten und als Aufsichtsstelle seiner eigenen Verwaltung 
zu wirken hat. Trotz dieses Widerspruchs kann es für den Staat nötig 
werden, zeitweilig in dieser Form einzugreifen, um die Erhaltung 
geführdeter Linien zu sichern. 
Der Staat kann aber auch so vorgehen, daß er den Aktionären eine 
feste Rente zahlt, im übrigen aber für seine eigene Rechnung verwaltet.
	        
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