4. Kapitel. Die Aufgaben d. öffentl. Gewalt gegenüber den Eisenbahnen. 287
traten ergänzend hinzu; im ganzen aber geht die staatliche Oberaufsicht
über die Bahnen nicht sehr weit. Die wiederholt befürwortete Annahme
des Staatsbahnwesens vermochte sich nicht genügend Freunde zu erwerben.
Auch die Vereinigten Staaten von Amerika begannen mit einer voll-
kommenen Uberlassung des Eisenbahnwesens an Erwerbsgesellschaften,
die durch Erleichterung des’ Grunderwerbes, zum Teil durch wirkliche
Landschenkung (zum erstenmal 1850) gefördert, aber in bezug auf Betrieb
und Verwaltung jahrzehntelang sich selbst überlassen blieben. Erst in
den 70er Jabren wurden, da der damals aufgeworfene Staatsbahn-
gedanke keinen Anklang fand, zahlreiche einzelstaatliche Aufsichtsbehörden
zur Uberwachung des Eisenbahnwesens gebildet. Ihnen schloß sich
1 ein Bundesverkehrsamt an, das zur Aufsicht über den zwischen-
staatlichen Eisenbahnverkehr berufen ist. Gleichzeitig wurden einige
Grundsätze für die Tarifbildung im Verkehr zwischen den einzelnen
Unionstaaten aufgestellt und die Tarifverbände verboten (Gesetz vom
4. Februar 1887). Besondere Erfolge hat das Bundesverkehrsamt nicht
erzielen können; die neuere Gesetzgebung (1889, 1891, 1895, 1906, 1908,
190) bat aber seine Befugnisse zu erweitern und die Durchführung
der Absichten des Gesetzes sicherzustellen gesucht. Der Ubergang zum
Staatsbahnwesen ist neuerdings mehrfach befürwortet, einstweilen aber
jedenfalls nicht zu erwarten.
In Europa haben die Festlandsstaaten meist mit Privatbahnen be-
gonnen. Belgien war der erste Staat, der eine Staatsbahn baute und
den Staatsbahngedanken folgerichtig durchführte. Erst seit 1846 sind
daneben Privatbahnen zugelassen, deren Umfang aber hinter den Staats-
bahnen zurückbleibt. Dem belgischen Beispiel folgte 1837 Braunschweig,
1838 Baden, 1840 Bayern, welches die vorher gebaute Privatbahn
München—Augsburg verstaatlichte, 1841 Hannover, 1843 Württemberg.
Auch Sachsen, das mit Privatbahnen begann, hat sich früh den Staats-
bahnen zugewandt, neben denen später die Privatbahnen wieder zu
gröherer Geltung gelangten. Preußen hatte zunächst den Privatbahnen
den Vortritt gelassen, mußte aber schon bald mit Zinsgewährleistungen
und dergleichen mehr helfen und baute seit 1819 auch verschiedene
Linien ganz auf Staatskosten aus. OÖsterreich, das mit Privatbahnen
begann, folgte 1841—1854 dem Staatsbahngedanken, lieb aber daneben
die vorhandenen Privatbahnen bestehen. Alsdann wurden länger als
2 Jahrzehnte die Staatsbahnen bis auf 13,8 km an Privatunternehmer
mit großen Verlusten verkauft, Privatbahnen zahlreich genehmigt und
unterstützt. Rußland, in welchem der ersten Privatbahn andere zunächst
nicht folgten, begann 1842 mit dem Bau einer Staatsbahn, deren Betrieb
aber später verpachtet wurde. Holland hat Anfang der 60er Jabhre
zwar Staatsbahnen zu bauen begonnen, aber ihren Betrieb an Erwerbs-
gesellschaften verpachtet usw.