4. Kapitel. Die Aufgaben d. öffentl. Gewalt gegenüber den Eisenbahnen. 295
bohe Mehrbelastung hätte die preußische Bevölkerung an direkten
Steuern tragen müssen, wenn dieser Weg der Mittelbeschaffung ver-
schlossen gewesen wäre! Durch die Eisenbahnüberschüsse läht sich
obne Frage ein Teil der erforderlichen Staatseinnahmen leichter und in
weniger drückender Form beschaffen als durch Steuern.
Selbstverständlich darf der Gedanke nicht überspannt werden. Auch
bei den Veranstaltungen, die der Staat zum Zwecke der Mittelbeschaffung
betreibt, bleibt er stets der Wächter des Gesamtwohls und darf deshalb
die Reingewinnerarbeitung nicht derart durchführen, daß die Gesamt-
bedürfnisse darunter leiden. Das soll von Rechtswegen auch keine
Erwerbsgesellschaft für Eisenbahnen tun dürfen, und der Staat selbst
muß hier nötigenfalls dem Gewinnstreben Schranken entgegenstellen.
Beim Staatsbahnwesen ergeben sich für die Gewinnwirtschaft des Staates
entsprechende Schranken, die seinem Wesen und seinen Aufgaben
entspringen.
Mit der Heranziehung eines Teiles der Eisenbahnüberschüsse zur
Deckung allgemeiner Staatsaufgaben kommt in die Staatswirtschaft eine
Einnahmequelle binein, die ungleichmähig fließt. Die allgemeinen wirt-
schaftlichen Verhältnisse beeinflussen die Höhe der Eisenbahnüberschüsse
30 stark, daß fühlbare Schwankungen des für allgemeine Staatsausgaben
verfügbaren Teiles nicht zu vermeiden sind. In günstigen Zeiten kann
dieser Teil der Dberschüsse großen Umfang erreichen, und wenn sich
die Staatswirtschaftsführung an einen solchen bequemen Weg der Mittel-
beschaffung gewöhnt hat, kann sie in schlechten Jahren leicht in
Schwierigkeiten geraten, weil sich dann der entsprechende Teil der
Uberschüsse verkleinert. Solchen Gesichtspunkten entspringt der Aus-
gleichsfonds, der für die preubischen Staatseisenbahnen auf Grund des
Gesetzes vom 3. Mai 1903 gebildet ist. Dem Fonds flieben zu die etwa
verbleibenden Uberschüsse des Staatshaushalts, bis der Fonds 200 Mill. M.
erreicht hat, und ferner vom Reinüberschusse der Staatsbabnen derjenige
Betrag, welcher 2,1 v. H. des Anlagekapitals der Staatsbahnen über-
steigt. Der Ausgleichsfonds dient zur Speisung eines „Dispositionsfonds"“
der Eisenbahnverwaltung von 30 Mill. M., der zur Vermebrung der
Betriebsmittel, zur Erweiterung und Ergänzung der Bahnanlagen und zu
Grunderwerbungen für solche Erweiterungen verwendet wird, ferner zur
Ausgleichung eines sonst nicht zu deckenden rechnungsmähigen Minder-
überschusses der Eisenbahnverwaltung und zur Verstärkung der Deckungs-
mittel im Staatshaushaltsetat behufs angemessener Ausgestaltung des
„Extraordinariums“ der Eisenbahnverwaltung.
Auch in Hessen ist auf Grund der Gesetze vom 26. März 1904
und 28. März 1907 ein Ausgleichsfonds geschaffen. Er wird gebildet
bis zur Höhe von 6 Mill. M. aus dem hessischen Anteil an den Erträg-
nissen der preubßisch-hessischen Eisenbahngemeinschaft und der Reichs-